„Luther. Der Mensch Martin Luther“ von Lyndal Roper

Prototyp des modernen Zeitalters

Der Reformator Martin Luther ist ein Phänomen, er ist einer der Berühmtesten, zugleich weiß man über ihn nur sehr wenig. Lyndal Roper zeichnet in ihrer Biografie „Luther. Der Mensch Martin Luther“ den Lebensweg nach, schaut nach links und rechts, nimmt auch die Seiten auf, die uns Kopfzerbrechen bereiten. Antisemitismus ist solch ein Thema und Martin Luther nimmt auch hierbei kein Blatt vor den Mund, schürt in seinen späteren Lebensjahren den Hass auf Juden. Überhaupt scheint er in seinen letzten Lebensjahren ziemlich verbittert gewesen zu sein.

Sehr umfassend beschreibt Regius Professor of History, Lyndal Roper, die Person aber auch den Inhalt seiner Schriften, langweilig wird es einem dabei nicht. Mag zwar zunächst einem die dicke des Sachbuches erschrecken, so lohnt es sich, diesen zu überwinden. Manch ein Aspekt ist erstaunlich, das Verhältnis zu seinem Vater ist mehr schlecht als recht, dass ihn letztendlich aus lauter Zorn ins Kloster führt, später konnte er sich ihm wieder nähern. Familiäre Konflikte verliefen im Mittelalter nicht anders als heute. Sein Mut und seine Kühnheit imponieren. Die Autorin hat aber nicht nur im klassischen Sinne eine Biografie geschrieben, vielmehr leuchtet sie Zusammenhänge aus und genau das macht das Buch auch so lesenswert. Man bekommt ein umfassendes Bild über den Menschen Martin Luther und seiner Zeit. Trotz ihrem sachlichen Ton nimmt sie einen mit in die Sprachgewalt, in die Gefühlswelt, in die Zerrissenheit, in seine Kämpfe gegen sich und den Teufel, oft genug ringt er mit sich, weiß nicht genau, welcher Weg der richtige ist, führt den Leser durch die verschlungenen Wege. Sie verdeutlicht das Menschliche, einen Heiligen aus ihn zu machen, liegt ihr fern, dennoch hat man Respekt vor ihm. Weitestgehend geht sie dabei chronologisch vor. Darüber hinaus werden weitere Reformatoren, die zum Teil heute weitestgehend unbekannt sind, mit aufgenommen sowie deren Auseinandersetzungen um die theologische Auslegung. So manch ein Konflikt zwischen den Konfessionen wird somit verständlicher. Und noch eines wird sehr deutlich: Ohne den Buchdruck wäre es zu diesem Zeitpunkt zu keiner Reformation gekommen. Mögen zwar viele damals darin ein Teufelswerk gesehen haben, noch im 18. und 19. Jahrhundert sah man im Lesen eine Gefahr, Jugendliche wurden von Büchern ferngehalten, so wäre ohne den Buchdruck vieles undenkbar gewesen. Plötzlich gibt es einen Bezug zur heutigen Zeit. Das neue Medium Internet stellt uns vor Herausforderungen, darin bestehen Chancen aber auch Missbrauch. Damals wie heute verunsichern neue Medien. Ohne einem Netzwerk, ohne die Unterstützung von Philipp Melanchthon und dem Künstler Lucas Cranach und seinem Fürsten wäre es nicht gegangen. Man kann sagen, Martin Luther ist der Prototyp des modernen Zeitalters, der instinktiv wusste, wie er etwas anzupacken hatte.

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Essay: Martin Luther. Der Herr ist mein Hirte – Martin Luther sein Stichwortgeber

Regen sich heutzutage so einige kirchliche Würdenträger über Darstellungen auf, so sind diese im Vergleich zu Martin Luther oft harmlos, in Bild und Sprache neigte er zu Satire, einen Bischof als Esel darzustellen ist schon fast eine Ehre. Sein Entsetzen, Wut und Zorn konnte er brillant in Sprache umsetzen, er trifft mit einer hohen Zielgenauigkeit den Nerv seiner Zeit, von seinen zahlreichen Lesern wird er verstanden.

Lesenswert und brillant sind zwei Begriffe, die Rezensenten zur Beschreibung des Buches verwenden. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Es ist ein Buch, dass man gerne mehrmals liest.

– Corinna Klein –
© read MaryRead 2017

► Sachbuch

Lyndal Roper: Luther
Der Mensch Martin Luther
Biografie
Originaltitel: Martin Luther. Renegade and Prophet
Übersetzung aus dem Englischen : Holger Fock und Sabine Müller
mit mehr als 100 Abbildungen in Schwarzweiß
730 Seiten
gebunden
Format (H x B x T): 220 x 150 x 40 mm
Gewicht: 880g
erschien: 21.09. 2016
Verlag: S. Fischer
ISBN 978-3-10-066088-6
Preis: 28,00 € (D), 28,80 € (A)

E-Book : 24,99 € (D, A)

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