Ferdinand von Saar: Ostern

Ostern

Ja, der Winter ging zur Neige,
holder Frühling kommt herbei,
Lieblich schwanken Birkenzweige,
und es glänzt das rote Ei.

Schimmernd wehn die Kirchenfahnen
bei der Glocken Feierklang,
und auf oft betretnen Bahnen
nimmt der Umzug seinen Gang.

Nach dem dumpfen Grabchorale
tönt das Auferstehungslied,
und empor im Himmelsstrahle
schwebt er, der am Kreuz verschied.

So zum schönsten der Symbole
wird das frohe Osterfest ,
daß der Mensch sich Glauben hole,
wenn ihn Mut und Kraft verläßt.

Jedes Herz, das Leid getroffen,
fühlt von Anfang sich durchweht,
daß sein Sehnen und sein Hoffen
immer wieder aufersteht.

– Ferdinand von Saar –

* 30.09.1833, Wien, Österreich
† 24.07.1906, Wien, Österreich

Ferdinand von Saar , nachdem er 1859 seinen Beruf als Offizier aufgab, widmete er sich ganz der Literatur, die gekennzeichnet ist von Melancholie. Seine realistisch-psychologischen Novellen und Erzählungen sind vergleichbar mit Theodor Storm. Seine elegischen Gedichte sind von den beiden österreichischen Schriftstellern Franz Grillparzer und Nikolaus Lenau, beide gehörten der Romantik an, beeinflusst.

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