„Brasilien“ von Stefan Zweig

Bekannt und doch unbekannt

Bei der diesjährigen Frankfurter Buchmesse (2013) ist zu Gast der Staat Brasilien. Einige namhafte Autoren aus Brasilien, wie beispielsweise Paulo Coelho sind nach Frankfurt am Main eingeladen, also die brasilianische Gegenwartsliteratur. Dieser große Staat ist uns als Name geläufig, doch darüber wissen tun wir wenig. Noch weniger wissen wir etwas über die Historik diesem sehr interessanten Land .
Stefan Zweig legt in seinem Reisebericht „Brasilien. Ein Land der Zukunft“ die allgemeine und wirtschaftliche Historik dar, mit Einblick in die Kultur und Ausblick auf die Zukunft.

In der Einleitung holt Stefan Zweig den Leser ab, indem er schildert, mit welchen Vorurteilen er in dieses Land gereist ist. Obwohl der Reisebericht „1941 im Stockholmer Exil erschien 1 , hat sich an den Vorurteilen zwischen damals und heute kaum etwas geändert. Durch die Schilderung der Vorurteile seitens des Schriftstellers kann man feststellen, dass man recht ähnliche Vorstellungen wie Stefan Zweig hat und schon fühlt man sich eingeladen, dieses Buch weiter zu lesen.
Der Autor beschreibt die Geschichte dieses Landes, die mit der Kolonialisierung durch die Portugiesen beginnt, deren wirtschaftlicher Aufstieg (wobei dieser Aufstieg von vielen Höhen und Tiefen begleitet wird), die Stärken der Brasilianer und mit atemberaubenden Landschaftsbeschreibungen.

Durch den angenehmen Schreibstil – teilweise kommt er in salopper Form mit Tiefgang daher – und durch die wunderbaren Landschaftsbeschreibungen bekommt man Lust, dieses Land zu bereisen. Die Begeisterung von dem österreichischen Schriftsteller, der zwangsweise sein Land in dem er am 28. November 1881 (in Wien) geboren wird, verlassen muss und Zuflucht in Brasilien sucht und findet, springt auf den Leser über .
Der Reisebericht zeichnet sich durch gute Recherche aus; impressionistische Züge sind eingebettet in Symbolismus, das heißt dem vielseitigen Schriftsteller gelingt es auf hervorragende Weise, Fakten mit der Seele dieses südamerikanischen Staates zu verbinden.

Stefan Zweig musste aufgrund seiner jüdischen Herkunft unter dem Nazi-Regime Europa verlassen. Da er persönlich die „rassistische Einfalt“ 2 erleben musste und in ein Land reisen durfte, in dem bis heute „ethnische Vielfalt“ 3 das Markenzeichen dieses Landes ist, kann man seine Begeisterung für diesen Staat verstehen. Der Autor wurde nicht nur von der brasilianischen Bevölkerung mit offenen Armen empfangen, sondern – wie man im Nachwort von Volker Michels nachlesen kann – die Menschen kannten seine Bücher, er war, ohne das er es vorher ahnte, ein willkommener Schriftsteller .
Der Kontrast zwischen Deutschland-Österreich und Brasilien konnte kaum größer sein, in Deutschland sowie in Österreich die Hetzjagd gegenüber all jenen, die in irgendeiner Form nicht der Norm der Nazis entsprachen, Brasilien ein Multi-Kulti-Staat, der Fremde und Fremdes integriert.

Bei einigen Ansätzen mit Blick in die Zukunft, also unsere Gegenwart, sollte man bedenken, dass die Entwicklung eine andere war, als wie es Ende der Dreißiger Jahre vermuten ließ. Wenn man von den falschen Annahmen absieht, ist es ein sehr lesenswertes Buch. An den historischen Fakten hat sich nichts verändert, der Blickwinkel ist ein anderer geworden .

Historisch Interessierte kommen genauso auf ihre Kosten, wie wirtschaftlich, kulturell und literarisch interessierte Menschen. Die Begeisterung für dieses Land überträgt sich vom Schriftsteller auf den Leser und das schaffen nur die wenigsten Autoren, selbst ein Thomas Mann kommt in dieser Kategorie an dieses Level nicht heran .

– Christine Weber –
© read MaryRead

Schatztruhe


Stefan Zweig: Brasilien
Ein Land der Zukunft
Sachbuch – Reisebericht
314 Seiten
gebunden
erschienen erstmalig in Stockholm: 1941
1. Auflage 2013
Verlag: Insel Taschenbuch
ISBN 978-3-458-35908-1
Preis: 10,00 € (D), 10,30 € (A)


Mehr über Stefan Zweig:
Stefan Zweig – Ein Europäer von Welt (arte):



1 Vgl. Stefan Zweig: Brasilien. Ein Land der Zukunft, Insel-Verlag 2013, Seite 301
2 ebenda
3 ebenda


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von Astrid Meyer / 11.07.2014 / historischer Essay

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