Literarischer Ausblick für das erste Quartal 2017

28. Dezember 2016

Urlaubsziel Österreich

Was es mit dem Namen read MaryRead auf sich hat, Rückblick und Termine

Endlich ist der Einkauf im Kofferraum verstaut. Corinna und ihr Lebensgefährte Lars treffen die letzten Vorbereitungen für den Urlaub, der erste nach Jahren. Übermorgen wollen sie nach Österreich reisen, zum Skifahren. Darauf freuen sie sich schon seit Wochen, aber zuvor muss noch einiges geregelt werden. Sie steigen ins Auto, Corinna hinter das Steuer, Lars auf den Beifahrersitz.
„ Was denkst du, welches Buch im letzten Jahr am meisten verkauft wurde?“ fragt Corinna ihren Lebensgefährten.
„ Keine Ahnung. Vielleicht Sebastian Fitzek mit seinem neuen Kriminalroman „Das Paket““, antwortet Lars mit vielen Fragezeichen im Gesicht.
„ Knapp daneben ist auch daneben“, lächelt Corinna, „Harry Potter und das verwunschene Kind“ von J. K. Rowling, laut dpa.“
„ Gegenfrage: Weißt du, wer Ende November vergangenen Jahres den Hölderlin-Ring bekommen hat?“
„ Ich wusste noch nicht einmal, dass es solch eine Auszeichnung gibt, geschweige denn, dass ich wüsste, wer der Preisträger oder die Preisträgerin ist.“
„ Diese Auszeichnung, die ohne einer finanziellen Ausstattung auskommt und dem Preisträger ein silberner Ring überreicht wird, gibt es erst seit 2010, also noch nicht besonders lange. Peter Härtling hat ihn vor einiger Zeit bekommen und am 22. November 2016 wurde Navid Kermani in der Stadt Nürtingen damit beehrt. Außerdem bekam er am 4. Dezember den Marion-Donhöff-Preis im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg verliehen.“
„ Du warst und bleibst ein wandelndes Lexikon“ lacht Corinna.
Die beiden mögen solche Gespräche, schon allein aus beruflichen Gründen sind sie an Ereignissen rund um die Welt der Literatur interessiert. Sie sind Buchhändler, betreiben in der Stadt eine kleine Buchhandlung. Sie sind froh, dass sie vor neun Jahren die Räumlichkeiten entdeckt haben, hell und freundlich ist der Verkaufsraum und das Büro. Am Konzept haben sie lange gefeilt. Neben den üblichen Abteilungen von Belletristik, Sach- und Kinderbuch haben sie in ihrem Sortiment mehrsprachige Kinderbücher , sortiert nach Sprachen, aufgenommen. Anfangs wurden sie dafür belächelt, wer braucht schon mehrsprachige Kinderbücher? Sie sind bis heute die einzige Buchhandlung mit mehrsprachigen Kinderbüchern in der Stadt und spätestens seit Herbst 2015 spricht man nicht mehr mit vorgehaltener Hand darüber, im Gegenteil, einige Buchhandlungen ärgern sich, dass sie nicht auf diese Idee gekommen sind. Zweisprachige Ausgaben in deutsch und arabisch sind weiterhin hoch im Kurs.
In ihrer Buchhandlung finden neben regelmäßigen Autorenlesungen auch Vorträge statt. Dafür haben sie eine Fachfrau engagiert, die Germanistik und Philosophie auf Lehramt studierte, und schon einige Erfahrungen in bundesweiten Vorträgen sammeln konnte bis sie in der Buchhandlung ihren festen Platz gefunden hat. Vor noch nicht allzu langer Zeit bot sie sogar eine Fortbildung für ErzieherInnen zum Thema „ Bilderbücher und viele Sprachen “ an. Zunächst flatterten nur wenige Anmeldungen herein, aber dann, so als hätte es sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen, konnten sie sich kaum noch vor Anmeldungen retten und sie mussten einige auf die Warteliste setzen.
Manchmal laden sie auch Schriftsteller für ein Interview vor Publikum ein, zuweilen können Hörspiele auch live erlebt werden, die von den Studierenden der Medienwissenschaft von der hiesigen Universität aufbereitet werden.
Einen Namen für die Buchhandlung zu finden, war für Corinna und Lars eine der größten Herausforderungen. Sie wollten weder ihre Vor- noch ihre Nachnamen verwenden, Namen von verstorbenen Autoren war für sie ebenfalls ausgeschlossen. Begriffe aus der Literaturgeschichte wie „Die blaue Blume“ kam für sie nicht infrage und auch keine mythischen Figuren wie „Thalia“. Durch Zufall sind sie auf die Piratin Mary Read gestoßen. Die englische Piratin lebte im 17. Jahrhundert und tat sich als selbstbewusste Kämpferin hervor, wobei nur die wenigsten Zeitgenossen von ihrem Geschlecht etwas wussten. Lars und Corinna waren dermaßen von der Legende über die Piratin beeindruckt, dass sie beschlossen, ihren Namen für ihre Buchhandlung zu nehmen, ergänzten es mit read: read MaryRead. Der Slogan „Wir steuern Sie sicher durch das Meer der Bücher“ lag quasi auf der Hand.

Das Herzstück ihrer Buchhandlung ist jedoch eine wechselnde Installation. Zum Kriminalroman „ Tabu “ von Ferdinand von Schirach hatten sie etwa eine Häuserfront aus Pappe, die abwechselnd in den Farben weiß, blau, rot und grün angestrahlt wurden und vor der Häuserfront befand sich ein Auto, aus dem eine junge Frau in kurzen Abständen ihren Kopf zeigte. Zu einem anderen Zeitpunkt hatten sie die Altstadt von Jerusalem nachempfunden. Die wichtigsten Stationen von Wolfgang Büscher, der sich über mehrere Monate in dieser Stadt aufhielt, farblich gekennzeichnet. Jeder Besucher konnte mithilfe einer Figur sich auf Erkundungsreise begeben, indem er die Figur an einen beliebigen Ort stellte, erzählte die Figur die passende Geschichte dazu. Neben der Installation lag der Buchstapel „ Ein Frühling in Jerusalem “ von dem Autor. Für die Kinder haben sie ebenfalls wechselnde Angebote. Eine ganze Zeitlang hatten sie eine große Bananenwippe in der Buchhandlung stehen, daneben war ein Tisch, auf dem Bananen lagen und von der jeder eine nehmen und essen konnte. Neben der Obstschale lag das Buch „ Sinan und Felix “ von Aygen Sibel-Celik. Für den kommenden Sommer planen sie ein kunterbuntes Astrid Lindgren Haus und auch zum 80jährigen Geburtstag von Paul Maar werden sie etwas Besonderes machen.
So kurz vor dem Urlaub muss noch einiges bedacht werden.
Corinna fragt Lars: „Meinst du, wir sollten die Bücher, die auf der lit.cologne vom 7. bis 18. März , vorgestellt werden, schon mal ordern?“
Lars überlegt kurz, sagt dann: „Lass uns mal überlegen, was noch alles ansteht.“
„ Jochen Winter bekommt den Literaturpreis am 2. Februar im „Roten Salon“ der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin für seine beiden Gedichtbände „Spuren im Unermesslichen“ und „Die Glut des Augenblicks“, dass am 30. Januar erscheint, verliehen.“
„ Gedichte sind immer gefragt. Die beiden Bände sollten wir da haben.“
„ Außerdem wird am 30. Januar und 1. Februar der Zweiteiler „ Landgericht “ nach dem gleichnamigen Roman von Ursula Krechel, die 2012 dafür den Deutschen Buchpreis bekam, auf ZDF jeweils um 20.15 Uhr ausgestrahlt.“
„ Dieses Buch gibt es mit Sicherheit als Taschenbuch. Für die Krimifans gibt es auch eine Neuigkeit. Sebastian Fitzek bekommt am 7. April im Rahmen des „ Mord am Hellweg“-Festival in Unna mit dem Europäischen Preis für Krimiliteratur verliehen. Zu diesem Anlass wird er aus seinem neuen Thriller „AchtNacht“ lesen.
„ Wir müssen den 100jährigen Geburtstag von Heinrich Böll im Auge behalten. Einige seiner Klassiker wie „Ansichten eines Clowns“, dass am 11. Februar im Schauspielhaus Köln unter der Regie von Thomas Jonigk uraufgeführt wird, „Irisches Tagebuch“ und „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ sollten wir immer vorrätig haben. Köln wird diesen Geburtstag das ganze Jahr über feiern.“
„ Kurz nach der lit.cologne findet die Leipziger Buchmesse vom 23. bis 26. März 2017 statt mit dem Schwerpunktland Litauen.“
„ Kennst du einen litauischen Schriftsteller?“ fragt Corinna.
„ Ja, einen habe ich noch ganz besonders in Erinnerung.“
„ Wen?“
„ Romualdas Granauskas und seinen Roman „Das Strudelloch“. Es ist ein sehr beeindruckender Roman, wahrscheinlich kann ich mich auch nur deshalb daran erinnern, aber es ist bislang der einzige von ihm, der ins Deutsche übersetzt wurde.“
„ Meinst du, es macht Sinn, diesen Roman zu besorgen?“
„ Ich denke schon, sofern dieser überhaupt noch lieferbar ist. Wenn ich mich recht entsinne, erschien der Roman Sommer 2010. Wir sollten vielleicht auch noch einen oder zwei Reiseführer über Litauen da haben.“
„ Apropos reisen. Hast du dir endlich einen Skianzug gekauft?“
„ Du wirst es kaum glauben, aber den habe ich inzwischen.“
„ Und Sonnencreme?“
„ Auch daran habe ich gedacht.“
„ Ich bin schon ganz aufgeregt und ich bin froh, dass wir jetzt im Winter fahren und nicht im Sommer.“
„ Wieso?“
„ Sonst würdest du dich sowieso nur auf die Spuren von Stefan Zweig begeben“ lacht Corinna und auch Lars kann nur mit Mühe ein Schmunzeln unterdrücken.