„13 wilde Weihnachtskerle“ von Barbara van den Speulhof

Das größte Geschenk ist der Weihnachtsbaum

Isländische Tradition wird mit deutschen Bräuchen verknüpft, Wilde können sehr hilfsbereit sein und wie ein Kinderbuch auch ein Adventskalender sein kann

Weihnachtsmann und Christkind haben am Heilig Abend viel zu tun, dass können die beiden kaum alleine schaffen. Von daher gibt es eine Notwendigkeit, dass 13 wilde Weihnachtskerle die beiden unterstützen. Aber die Weihnachtskerle sind ganz anders als Christkind und Weihnachtsmann, sie sind frech, spielen den Menschen gerne Streiche, manchmal klauen sie auch. Nichtsdestotrotz können sie auch Mitleid haben. Barbara van den Speulhof greift in ihrem Kinderbuch auf eine Tradition der Isländer zurück.

aus: „13 wilde Weihnachtskerle“ von Barbara van den Speulhof

Dem Mythos nach stammen die 13 Weihnachtskerle in Island von einer Riesin ab. Früher spielten die Weihnachtskerle den Menschen Streiche, heute bringen sie ihnen die Geschenke. Die 13 Weihnachtskerle heißen: Stekkjastaur (Pferchpfosten), Giljagaur (Schluchtenkobold), Stúfur (Knirps), Þvörusleikir (Kochlöffellecker), Pottaskefill (Topfschaber), Askasleikir (Essnapflecker), Hurðaskellir (Türzuschläger), Skyrgámur (Quark Gierschlund), Bjúgnakrækir (Wurststibitzer), Gluggagægir (Fensterglotzer), Gáttaþefur (Türschlitzschnüffler), Ketkrókur (Fleischkraller) und Kertasníkir (Kerzenschnorrer).1  
     Im Kinderbuch heißen die 13 Weihnachtskerle: Rübe, er ist der Älteste von den Weihnachtskerlen; Blanco, der alles liebt, was weiß ist; Waumiau liebt alle Vierbeiner, Oskar ist Frechste von allen, Pottpitt, der Hungrige; Langfinger, der alles klaut, was nicht niet und nagelfest ist; Remmidemmi liebt den Krach, Pokus, der Zauberer; Caruso liebt Musik, Kuki, der am liebsten Kekse ist, Schnüffelschnäutz, dem seine Nase immerzu läuft und Lametta, der alles Funkelnde bevorzugt.
     Das Zusammenspiel ihrer „Fähigkeiten“ macht Unmögliches möglich. Sie erfahren von den beiden Kindern, Smilla und Snorre, dass sie sich für ein Weihnachtsfest einen Tannenbaum wünschen, aber in Reykjavik gibt es keine. Um den beiden sehr traurigen Kindern eine Freude zu bereiten, versprechen sie ihnen für das kommende Weihnachtsfest, einen Weihnachtsbaum zu besorgen. Um ihr Versprechen einzulösen, machen sie sich auf die Suche. Ihr Weg führt sie nach Hamburg. Nur in Hamburg kennen sie sich gar nicht aus.

In der Erzählung muss man mit allem rechnen, Erwachsene sehen wandernde Früchte, können aber die Weihnachtskerle nicht erkennen, die gerade Orangen und sonstiges gerade davon schleppen, die Weihnachtskerle können auch aus dem Buch verschwinden, aber vor allem trifft man auf bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten und auf Intertextualität. Der Name Smilla ist so ein Beispiel, bekannt durch den Roman Fräulein Smillas Gespür für Schnee von dem dänischen Schriftsteller Peter Høeg aus dem Jahr 1992, Snorre ist eine literarische Figur aus dem Kinderbuch Wickie und die starken Männer von dem schwedischen Schriftsteller Runer Jonsson aus dem Jahr 1963, Caruso war ein italienischer Opernsänger, sein vollständiger Name lautet Enrico Caruso und gilt bis heute als einer der besten Tenöre.
     Ach ja, falls man es bislang noch nicht bemerkt hat, Barbara van den Speulhof liebt Wortneuschöpfungen wie „Eintopfhund“. Und sie hat für alle Namen und Begebenheiten eine Erklärung, humorvolle Erläuterungen, manchmal kommen sie salopp daher. Das Lachen ist garantiert.

Für eine bildhafte Darstellung sorgt Susanne Göhlich. Ihre Illustrationen unterstreichen manche Sequenzen, bringen Gefühlszustände mit wenigen Strichen zum Ausdruck und jedes der 24 Kapitel wird mit einer besonderen Weihnachtskugel eingeleitet.

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Die 13 wilden Weihnachtskerle haben viel zu besprechen und sie unterhalten sich mit den beiden Kindern, Malte und Antonia, die in Hamburg leben und den Weihnachtskerlen behilflich sind, einen passenden Tannenbaum für Smilla und Snorre zu finden. Durch die zahlreichen Dialoge und durch die direkte Ansprache an den Leser entsteht eine Lebendigkeit, die durch die Gegenwartsform verstärkt wird. Informationen werden wie nebenbei geliefert, sie haben nichts schulmeisterliches, sondern salopp-witziges, die man sich deshalb besonders gut merken kann.

aus: „13 wilde Weihnachtskerle“ von Barbara van den Speulhof

Man kann das Kinderbuch wie einen Adventskalender benutzen, jeden Tag ein Kapitel lesen und im Nu ist Weihnachten schon vor der Tür. Man kann aber auch die Erzählung in einem Rutsch lesen, da es eine fortlaufende Geschichte ist und die Aufteilung der Kapitel eher willkürlich gesetzt ist. Man kann den Kindern und sich selbst eine Freude machen und ihnen das Buch vorlesen, Erwachsene kommen genauso auf ihre Kosten wie Kinder, ja, erst im Zusammenspiel zwischen den Generationen wird es zu einer besonders lustigen Zeit.

Natürlich wurde der Titel 13 wilde Weihnachtskerle bewusst gewählt. Es soll Anknüpfungspunkte suggerieren, wie an die Buchreihe Die wilden Hühner von Cornelia Funke, Jim Knopf und die Wilde 13 von Michael Ende, Die Wilden Fußballkerle von Joachim Masannek, die Liste könnte man noch um etliche weitere Titel fortführen. Seitdem die Verkaufszahlen sich bei diesen bekannten Büchern sich sehen lassen können, scheint das Wilde unumgänglich zu sein, nur das Barbara van den Speulhof auf eine isländische Legende zurückgreift, neugierig macht auf andere Weihnachtsbräuche und es ihr gelungen ist, ein Kinderbuch zu schreiben, dass für Kinder und Erwachsene gleichermaßen erhellend und amüsant sein kann. Unbemerkt und ohne moralischen Zeigefinger hat sie Interkulturelle Literatur geschaffen.

Es ist eine wohltuende Erzählung, die das Warten auf Heilig Abend angenehm verkürzen kann.

© read MaryRead 2016

Kinderbuch

 

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Kinderbuch
Illustration: Susanne Göhlich
Alter: ab 6 Jahre
gebunden
176 Seiten
Format: 245mm x 166mm x 18mm
Gewicht: 547g
erschien: 21.09.2016
Verlag: KJB bei S. Fischer
ISBN 978-3-7373-4067-0
Preis: 14,99 € (D), 15,50 € (A)

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