2. Januar

Am 2. Januar schrieben mehrere Autoren in ihre Tagebücher. Einer davon war Johann Wolfgang von Goethe, der in Italien unterwegs war. Ein weiterer war Franz Kafka, ein Tagebucheintrag aus dem Jahr 1912, drei Jahre später schrieb auch Erich Mühsam in sein Tagebuch. Letzterer hielt sich in München auf .

Inhalt :
> Literaturhistorie
> Tagebucheintrag Franz Kafka
> Geboren
> Tagebucheintrag von Johann Wolfgang von Goethe
> Gestorben
> Tagebucheintrag von Erich Mühsam

Literaturhistorie :

1635 : Die Academie francaise mit Sitz in Paris wurde gegründet.
1716 : Der Gründungserlass für die Spanische Nationalbibliothek wurde verkündet .

1931 : Der Film „Emil und die Detektive“ nach einem gleichnamigen Kinderbuch von Erich Kästner, mit dem Darsteller Gerhard Lamprecht hatte Premiere .
2012: Hans Magnus Enzensberger schrieb den Essay „Summe der Entgeltpunkte“ für die Aufhebung des Renteneintrittalters in Der Spiegel .
2016: Die Aufhebung des Urheberrechts für das Tagebuch Anne Frank löst einen Rechtsstreit aus .

2. Januar. Infolgedessen gab ich den schlechten Kleidern auch in meiner Haltung nach, ging mit gebeugtem Rücken, schiefen Schultern, verlegenen Armen und Händen herum: fürchtete mich vor Spiegeln, weil sie mich in einer meiner Meinung nach unvermeidlichen Häßlichkeit zeigten, die überdies nicht ganz wahrheitsgemäß abgespiegelt sein konnte, denn hätte ich wirklich so ausgesehn, hätte ich auch größeres Aufsehen erregen müssen, erduldete auf Sonntagsspaziergängen von der Mutter sanfte Stöße in den Rücken und viel zu abstrakte Ermahnungen und Prophezeiungen, die ich mit meinen damaligen gegenwärtigen Sorgen in keine Beziehung bringen konnte. Überhaupt fehlte es mir hauptsächlich an der Fähigkeit, für die tatsächliche Zukunft auch nur im geringsten vorzusorgen. Ich blieb mit meinem Denken bei den gegenwärtigen Dingen und ihren gegenwärtigen Zuständen, nicht aus Gründlichkeit oder zu sehr festgehaltenem Interesse, sondern, soweit es nicht Schwäche des Denkens verursachte, aus Traurigkeit und Furcht, aus Traurigkeit, denn weil mir die Gegenwart so traurig war, glaubte ich sie nicht verlassen zu dürfen, ehe sie sich ins Glück auflöste, aus Furcht, denn wie ich mich vor dem kleinsten gegenwärtigen Schritt fürchtete, hielt ich mich auch für unwürdig, bei meinem verächtlichen kindischen Auftreten ernstlich mit Verantwortung die große männliche Zukunft zu beurteilen, die mir auch meistens so unmöglich vorgekommen ist, daß mir jedes kleine Fortschreiten wie eine Fälschung erschien und das Nächste unerreichbar . […]

2. Januar 1912

aus : Franz Kafka: Tagebücher. 1910 – 1923 , Moderner Buch-Club – Darmstadt 1962, S. 183

Geboren :

1587: Anders Christensen Arrebo, dänischer Dichter
1752: Philip Morin Freneau, amerikanischer Dichter
1807: Balthasar Friedrich Wilhelm Zimmermann, deutscher Dichter
1814: Luise Mühlbach, deutsche Schriftstellerin
1836: Mendele Moicher Sforim, weißrussischer Schriftsteller
1861: Wilhelm Bölsche, deutscher Schriftsteller
1870: Ernst Barlach, deutscher Bildhauer und Schriftsteller
1871: Nikolaus Welter, luxemburgischer Literaturwissenschaftler und Schriftsteller
1884: Oscar Devereaux Micheaux, amerikanischer Schriftsteller
1890: Henrik Visnapuu, estnischer Dichter und Literaturkritiker
1905: Auguste Lechner, österreichische Jugendbuchautorin
1905: Max Niedermayer, deutscher Verleger (Limes Verlag)
1910: Ulrich Becher, deutscher Schriftsteller
1919: Charles Ray III. Willeford, amerikanischer Literaturkritiker und Kriminalschriftsteller
1920: Isaac Asimov, russisch-amerikanischer Schriftsteller
1920: Anna Langfus, polnisch-französische Schriftstellerin
1922: Blaga Dimitrova, bulgarische Schriftstellerin
1923: Mário-Henrique Leiria, portugiesischer Schriftsteller
1928: Gerhard Amanshauser, österreichischer Schriftsteller
1929: Horst Drescher, deutscher Schriftsteller
1935: David McKee, britischer Schriftsteller
1938: Hans Herbjørnsrud, norwegischer Schriftsteller
1946: Ilma Rakusa, schweizerische Literaturübersetzerin und Schriftstellerin
1951: Eckart Sackmann, deutscher Comicverleger und Literaturhistoriker
1963:
Gert Anhalt, deutscher Kriminalschriftsteller
1964: Ulrich Blumenbach, deutscher Literaturübersetzer
1964: Annett Gröschner , deutsche Schriftstellerin

Den 2. Januar 1787

Man mag zugunsten einer schriftlichen und mündlichen Überlieferung sagen, was man will, in den wenigsten Fällen ist sie hinreichend, denn den eigentlichen Charakter irgendeines Wesens kann sie doch nicht mitteilen, selbst nicht in geistigen Dingen. Hat man aber erst einen sichern Blick getan, dann mag man gerne lesen und hören, denn das schließt sich an an den lebendigen Eindruck; nun kann man denken und beurteilen.
Ihr habt mich oft ausgespottet und zurückziehen wollen, wenn ich Steine, Kräuter und Tiere mit besonderer Neigung aus gewissen entschiedenen Gesichtspunkten betrachtete: nun richte ich meine Aufmerksamkeit auf den Baumeister, Bildhauer und Maler und werde mich auch hier finden lernen .

aus: Goethe: Italienische Reise, Verlag C.H. Beck München 2010, S. 154

Gestorben :

1783: Johann Jacob Bodmer, schweizerischer Philologe
1801: Johann Kaspar Lavater, schweizerischer Philosoph
1829: Louis-Simon Auger, französischer Literaturhistoriker und Dichter
1835: August Friedrich Ernst Langbein, deutscher Dichter und Schriftsteller
1839: Josef Krasoslav Chmelenský, tschechischer Dichter
1884: Margarethe von Bülow, deutsche Schriftstellerin
1927: Achàd Ha`am, jüdisch(-israelischer) Schriftsteller
1948: Vicente Huidobro, chilenischer Lyriker
1976: Dan Kazuo, japanischer Schriftsteller
1984: Sebastià Juan Arbó, katalanisch-spanischer Schriftsteller
1985: Jacques de Lacretelle, französischer Schriftsteller
1999: Sebastian Haffner, deutscher Schriftsteller
2009: Inger Christensen , dänische Lyrikerin und Schriftstellerin

München, Sonnabend, d. 2. Januar 1915

(…) Ein längerer Brief Landauers, als Antwort auf meinen Neujahrsbrief, gibt mir zu denken. Er gibt mir leider wenig Hoffnung auf die Anstellung als Dramaturg bei der Berliner Volksbühne. Natürlich sei Sinsheimers Verlangen, ich dürfe mich dann nicht anarchistisch betätigen, Unsinn. Aber erstens müsse man rechnen und bekomme leicht Literaten, die froh sind, wenn sie nur volontieren dürfen, zweitens aber zweifle er (Landauer) selbst, ob er, falls die Frage überhaupt gestellt würde, für mich stimmen würde. »Du bist in Deinem Urteil über literarische und besonders theatralische Dinge der Beeinflussung der Freundschaft und geradezu der Clique durchaus nicht unzugänglich, läßt es an harter Sachlichkeit, seit Du in München bist, oft fehlen … Ich weiß, daß dieser Zug mit sehr Sympathischem in Deinem Wesen, vor allem mit Dankbarkeit eines Vereinsamten zusammenhängt, und will Dich wahrhaftig nicht kränken; aber in der Volksbühne brauchen wir hartes Holz.« Das ist bitter. Abgesehen von der zerstörten Hoffnung, endlich doch Boden unter die Füße zu kriegen und ein Haus für Jennys Kinder schaffen zu können – diese klare Anzweiflung meiner Unabhängigkeit. Ob Landauer recht hat? Manchmal gewiß. Es will mir scheinen, als ob manchmal im gütigen Suchen nach guten Eigenschaften in einem schlechten Werk und im Verschweigen seiner Schwächen eine höhere Gerechtigkeit sei als in der unbedingt von allem Persönlichen absehenden Objektivität des Urteils, die Landauers Art ist. Das harte Verurteilen kann furchtbar weh tun und im Gefühl des Betroffenen dauernde Wunden hinterlassen und selbst Werte seiner Persönlichkeit herabmindern. Abgesehen davon, daß in künstlerischen Dingen reine Objektivität ja gar nicht existiert und daß es sicher ebenso wichtig ist, das Gute im Schwachen zu erkennen als um der Schwächen willen alles Gute mit zu verdammen .
[…]

2. Januar 1915

aus : Erich Mühsam : Tagebücher. 1910 – 1924

Daniela Walter
© read MaryRead 2017

Literaturgeschichte

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