„Der Neckar. Eine literarische Reise“ von Jan Bürger

Literatur am Flussufer

Wandern scheint früher und heute Menschen zu inspirieren und trotz unserer heutigen technischen Fortbewegungsmittel hat das Wandern seine Faszination nicht verloren. Der eine wandert durch Israel / Palästina und schreibt darüber im Reisebericht Zwischen den Grenzen “, der andere wandert am Neckar entlang .
Während für Martin Schäuble es wichtig ist, möglichst viele Menschen in ihrem Alltag zu erleben, ist für Jan Bürger die deutsche Geschichte im Allgemeinen und ihre Literaturgeschichte im Besonderen der Grund für seine Wanderung .

Es gibt keinen anderen Fluss als wie den Neckar, an dessen Ufern so viele Literaten gelebt haben. Von daher ist es erstaunlich, dass so lange niemand auf die Idee gekommen ist, die deutsche Literaturgeschichte entlang dieses Flusses zu schreiben, dass das geht, zeigt Jan Bürger in seinem Buch „Der Neckar. Eine literarische Reise “.
Der promovierte Schriftsteller beschreibt seine Beobachtungen und reichert diese mit Fakten und literarischen Werken verschiedener deutscher Autoren an. Ausgangspunkt für Jan Bürger ist Tübingen, die Stadt in der Friedrich Hölderlin gelebt beziehungsweise vegetiert hat. Von dieser Stadt aus wandert er zunächst Richtung Norden bis nach Mannheim. Auf dieser Strecke legt er Zwischenstationen ein, reflektiert dabei neben den Literaten der Vergangenheit und Gegenwart, die Wirtschafts- und Verlagsgeschichte. Dabei spielt Stuttgart eine ganz besondere Rolle. Später wandert er in den Süden bis nach Wurmlingen. Insgesamt sind es zwölf Stationen, die gleichzeitig die Anzahl der Kapitel markieren .
So wie der Neckar der Hauptfluss in diesem Sachbuch ist, so widmet der Wanderer einem bekannten Autor wie Friedrich Schiller ein ganzes Kapitel; aber so wie der Fluss viele Biegungen und Nebenflüsse hat, kommt es in diesem Buch zu Nebenschauplätzen, wie beispielsweise die Darstellung über Heimito von Doderer. Dabei verliert Jan Bürger nie den roten Faden. Als weitere Orientierung dienen die beiden Karten, eingearbeitet im Buchumschlag .

Jan Bürger zeigt sehr anschaulich, dass er nicht nur gute Kenntnisse über die deutsche Geschichte, sondern auch über literarische Werke verfügt, wie die Ausführungen zu Hilde Löwenstein alias Hilde Domin „Die Liebe im Exil“ zeigt. Darüber hinaus stellt er immer wieder einen zu gegenwärtigen Themen wie „Umweltschutz“ her. Der Autor zeigt die negativen Konsequenzen der Begradigung des Flusses und das man zurzeit darum bemüht ist, einen Teil der Auen wieder zu zulassen .
Sein Engagement drückt sich in einer klaren Sprache in jeder Zeile aus .

Das Sachbuch kann dem Leser einen nachvollziehbaren Überblick geben, kann aber ebenso den Leser dazu veranlassen, das ein oder andere literarische Werk zur Hand zu nehmen, kann sich aber auch mit aufwerfenden Fragen beschäftigen, wie zum Beispiel inwiefern es einen Zusammenhang gibt, dass der Reaktionär Georg Herwegh sich über Eduard Mörike im Sommer 1845 belustigt 1 , während sich Heinrich Heine über Herwegh im Gedicht „Georg Herwegh 2 über ihn ironisch äußert .

Das erhellende Buch eignet sich für all jene, die ihr Herz an die Literatur hängen, es eignet sich aber auch für all jene, die schon immer gerne den Zusammenhang von Fluss und gesellschaftliche Entwicklung seit der Romantik (um 1800) erfahren möchten .

Ähnlich wie Martin Schäuble Tel Aviv als Dreh- und Angelpunkt seiner Reise hat, so hat Jan Bürger für seine Wanderung Tübingen gewählt, in dieser Stadt beginnt er und kommt am Ende wieder an .

Beim Lesen dieses Reiseberichtes macht man eine Wanderung von der Vergangenheit in die Gegenwart, begreift ein Stückchen mehr von unserer heutigen Zeit und vielleicht sieht man sich selbst in einem anderen Licht, denn wie Stefan Zweig in seinem sehr lesenswerten Buch Brasilien . Ein Land der Zukunft “ anmerkt: „ Nur wer seine Vergangenheit ins Auge fasst, sieht seinen wahren Sinn .“ 3

Vanessa Sturm
© read MaryRead

Sachbuch

Jan Bürger : Der Neckar
Eine literarische Reise
Sachbuch Literatur
286 Seiten
gebunden
erschien: 13.03.2013
Verlag: C. H. Beck
ISBN 978-3-406-64692-8
Preis: 19,95 € (D), 20,60 € (A)


1 Vgl. Jan Bürger: Der Neckar. Eine literarische Reise. C. H. Beck Verlag München 2013, S. 50
2 Vgl. Hg. Bodo von Petersdorf: Heinrich Heine. Sämtliche Werke, Band 1, Weltbild Verlag Augsburg, S. 175
3 Vgl. Stefan Zweig: Brasilien. Ein Land der Zukunft. Insel Taschenbuch Verlag Berlin 2013, S. 90


Ähnliche Beiträge:

Rezension
Capus, Alex : Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer
Literarischer Diamant
So unterschiedlich die drei Hauptpersonen in ihren Charakteren sind, so verbindet sie, dass sie das Beste, was sie in ihrer jeweiligen Situation tun können, für sich herausholen. Es sind drei völlig verschiedene Lebenswelten
mehr >
von Astrid Meyer / 06.11.2013 /
Roman


Rezension
Ahmad, Jamil : Der Weg des Falken
Allein im Grenzgebiet
Der Falke ist ein elternloser Junge, der durch die Lande streift und von einem Mann aufgenommen wird. Der Leser erfährt, auf welche brutale Weise dieser Junge seine Eltern verloren hat. Zunächst fühlt man sich in seinem mehr >
von Marion Hahn / 15.10.2013
/ Roman


Rezension
Delacourt, Grégoire : Alle meine Wünsche
Hauptgewinn im Lotto – Jackpot im Leben?
Aus der Befürchtung heraus, wenn bekannt werden würde, dass sie, Jocelyne, das große Los gezogen hat und nun stinkreich ist, dass nicht mehr sie als Mensch von Bedeutung ist, sondern nur noch ihr Geld, schweigt sie; sie …
mehr >
von Andrea Müller / 11.03.2013 / Roman


Rezension
Adams, Amanda : Scherben bringen Glück
Meilenschritte
Diese Frauen haben nicht nur Meilenschritte in ihrem persönlichen Lebensweg zurückgelegt, sondern ihr Verdienst gilt vor allem für den Respekt und die Bewahrung der Altertümer, die nicht mehr für den eigenen mehr >
von Christine Weber / 22.05.2013 /
Biografien

Dieser Beitrag wurde unter Sachbuch Geschichte abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink .

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *