„Scherben bringen Glück“ von Amanda Adams

Meilenschritte

Viele Menschen arbeiten gerne im Garten, besonders Frauen mögen es, in der Erde zu wühlen. Sie lieben es, das Unkraut zu jäten, um Gartenpflanzen Raum zur Entfaltung zu geben. Sie lieben es, Steinchen und Steine aus der Erde zu fischen und dafür wird auch gerne gegraben. Die Autorin Amanda Adams beschreibt in ihrem Sachbuch „Scherben bringen Glück“, wie Frauen tief in der Erde graben und einiges zutage fördern .

Neben der Möglichkeit im Garten zu wühlen, kann man in der Vergangenheit graben, denn beispielsweise können Erdschichten eine Menge erzählen. Die unterschiedlichen Erd- und Gesteinsschichten erzählen aus welchen Materialien sie bestehen und sie geben Aufschluss, in welcher Zeit diese Schichten entstanden sind. In diesen Schichten kann man sogenannte Fremdkörper entdecken, mal sind es Verfärbungen, die nicht so ganz zu einer Schicht passen, mal sind es Metalle, die nicht dort hingehören und manchmal sind es Scherben. All diese Fremdkörper erzählen Geschichten aus einer Zeit, die schon lange zurückliegt .
In den Erdschichten graben und dabei Historie entdecken ist eine Leidenschaft, die so manche Frau gepackt hat. Für diese Leidenschaft sind in den Anfängen der Archäologie – Ende 19., Anfang 20. Jahrhundert – einige Frauen bereit, ihre Heimat zu verlassen und in Regionen zu reisen, die weder erschlossen noch erforscht sind .
Lange Zeit wurde behauptet, dass nur Männer den Mut aufbringen, in die Wildnis zu gehen, dass nur Männer bereit sind, ihre Heimat für Forschungszwecke zu verlassen, dass nur Männer die Abenteuerlust packt. Das Sachbuch „Scherben bringen Glück“ von der amerikanischen Archäologin Amanda Adams, widerlegt diese Behauptung. In den Anfängen der Archäologie sind Frauen das Wagnis eingegangen und verließen ihre Heimat, um mehr über die Menschheitsgeschichte zu erfahren, sie wollten wissen, wie die Menschen vor einigen hundert Jahren gelebt haben .
Amelia Edwards (07.06.1831 – 1892), die auch als die „Grande Dame des Nils“ genannt wird, verlässt England und reist nach Ägypten . Von dieser Reise kann man in ihrem Werk „Tausend Meilen auf dem Nil“, das bis heute verlegt wird, lesen .
Jane Dieulafoy (29.06.1851 – 1916) geht mit ihrem Mann in den Nahen Osten, heute Iran und Irak, um unter anderem das legendäre Löwenfries aus dem Palast von Darius I. in Susa zu heben. Heute kann man diesen Löwen im Louvre betrachten. 1904 hebt sie mit weiteren Frauen den französischen Literaturpreis „Prix Femina“ aus der Taufe, der bis heute sehr begehrt ist .

In dem Sachbuch werden insgesamt sieben Frauen vorgestellt, die als „Pionierinnen der Archäologie“ gelten, wie der Untertitel des Buches schon deutlich macht. Die Frauen werden nicht nur mit ihrer Arbeit als Archäologin vorgestellt, sondern auch mit ihren Widersprüchen .
Amanda Adams zeigt, dass diese Frauen, durchaus mit viel Witz und Klugheit in der Männerwelt ihre Frau stehen .
Einige von den vorgestellten Frauen haben sich einen Namen in der Literatur gemacht, wie die berühmte Krimiautorin Agatha Christie (1890 – 1976); andere haben Meilensteine im Umgang mit den Funden gelegt, wie Gertrude Bell (1868 – 1926), Beraterin von Winston Churchill, die das Irakische Nationalmuseum gründet und gleichzeitig „Verfasserin der ersten Gesetze des Landes zur Bewahrung der Altertümer“ 1 wird. Einigen Frauen ist es sehr wichtig, dass das Vermächtnis des Altertums an jene übergeht, die die Nachkommen sind, die sich dafür einsetzen, dass die Funde nicht nur im Land bleiben, sondern das man den Nachkommen den Weg ebnet, ihre Vergangenheit selbst zu erforschen. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist Zelia Nutall (1857 – 1933), die der indigenen Bevölkerung die Ausbildung in Archäologie ermöglichte. Dorothy Garrod (1892 – 1968) legt Meilensteine in der noch jungen Wissenschaft und wird als erste Frau 1939 an die Cambridge-Universität berufen .
Das Selbstverständnis einiger Frauen liegt darin, dass sie aufgrund ihrer Arbeit der Gerechtigkeit und dem Weltfrieden verpflichtet fühlen, wie beispielsweise Harriet Boyd Hawes (1871 – 1945).

Das Sachbuch enthält Bilder über die vorgestellten Frauen und es enthält Illustrationen – teilweise Fotografien, teilweise Gemaltes – die Einblicke in die Archäologie geben. Schade ist, dass man bei vielen Darstellungen nicht den Urheber erfährt .
Die ausgezeichnete Lektüre mit dem Originaltitel „Ladies of the Field“, das von Brigitte Beier ins Deutsche übersetzt wurde, liefert Einblicke in die Anfänge der Archäologie und es stellt Frauen als Menschen und nicht als Übermenschen dar .
Diese Frauen haben nicht nur Meilenschritte in ihrem persönlichen Lebensweg zurückgelegt, sondern ihr Verdienst gilt vor allem für den Respekt und die Bewahrung der Altertümer, die nicht mehr für den eigenen Konsum zur Verfügung stehen sollen, sondern den Nachfahren und der Öffentlichkeit. Ihr gemeinsamer größter Meilenschritt ist das Einsetzen für die Bewahrung der Menschheitsgeschichte .
So wie das Ziel der Gartenarbeit ist, einigen Pflanzen Raum zur Entfaltung zu geben, so haben diese Frauen durch ihren Einsatz einen großen Beitrag geleistet, Raum für ein respektvolles Geschichtsbewusstsein zu schaffen .

Für alle vorgestellten Frauen gilt: Der Weg ist schon halb gegangen, wenn man weiß, welchen man einschlagen möchte . 2

– Christine Weber –
© read MaryRead

Sachbuch

Amanda Adams: Scherben bringen Glück
Pionierinnen der Archäologie
Originaltitel: Ladies of the Field
Übersetzung ins Deutsche : Brigitte Beier
Sachbuch – Archäologie / Biografien
239 Seiten
gebunden
erschien: 28.01.2013
Verlag: Gerstenberg
ISBN 978-3-8369-2674-4
Preis: 26,95 € (D), 27,80 € (A)


1 Vgl. Amanda Adams: Scherben bringen Glück. Gerstenberg, Hildesheim 2013, Seite 103
2 Ebenda, Seite 80


Ähnliche Beiträge:

Rezension
Beuys, Barbara:
Die neuen Frauen – Revolution im Kaiserreich. 1900 – 1914
Der Schlüssel zur Gegenwart
Wenn jedoch einmal die Ideen formuliert sind, kann man sie nicht für die Hälfte einer Gesellschaft vorenthalten und die Frauen nehmen diese Ideen selbst in die Hand und streiten … mehr >
von Christine Weber / 25.07.2014 / Sachbuch – Geschichte


zum 125. Geburtstag
Agatha Christie
Der Fall Agatha Christie
Den belgischen Detektiv, Hercule Poirot, finde ich äußerst sympathisch, auch wenn er was Überhebliches an sich hat. Er liebt die Ordnung und ein gutes Essen, genau wie Du. Eigentlich ist er mehr Engländer als wie Belgier, außer das er … mehr >
von Eva Wespe / 15.09.2015 / Brief


zum 125. Geburtstag
Agatha Christie
Der gehobene Schatz
Nach deinem merkwürdigen Anruf musste ich vorbei kommen. Tee wäre gut. Du klangst am Telefon schon ziemlich verwirrt und jetzt sagst du mir auch noch, der Aschenbecher … mehr >
von Christine Weber / 11.09.2015 / A uf eine Zigarette


Bordbuch
Swetlana Alexijewitsch
Auf den Straßen mit Alexijewitsch
Vom Literarischen Salon aus nimmt Alexijewitsch ihre Zuhörer mit auf einen Rundgang durch die Straßen der ehemaligen Sowjetunion, denn von hier geht sie aus. Grund für ihren Gang durch die Straßen ist der Ärger … mehr >
von Simone Jawor / 07.03.2016 / Autorenlesung


Rezension
Picoult, Jodie: Bis ans Ende der Geschichte
Monster, Menschenfresser und Heilige
Sage Singer wendet sich nach dem Bekenntnis von Josef Weber an das US-Justizministerium, da sie der Auffassung ist, dass ein Mörder auch nach vielen Jahren durch ein Gericht verurteilt werden …
mehr >
von Marion Hahn / 07.12.2015 / Roman

Dieser Beitrag wurde unter Sachbuch Biografie abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink .

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *