Gedicht: Orgelspiel

Orgelspiel

Prolog:
Ein Konzert kann wunderschön gelingen
Wenn Pfeifen miteinander singen.
Pfeifen und Pedalen dürfen weder Kratzer noch Beulen haben
Nur dann kann sich das Publikum erlarben.


Konzert:
Renn` los, hol die Sachen
Gib` alles, lass es krachen.
Wir hauen in die Tasten
Es geht zu unseren Lasten.
Tief, kaum wahrnehmbar ist es am Tönen.
Man hört ein Ächzen und ein Stöhnen.

Tu dies, tu jenes, du musst alles schaffen
Gehirn und Muskeln dürfen nicht erschlaffen.
Die Melodie gibt vor, was wir zu tun haben.
Wir schenken der Melodie besondere Gaben.
Die Melodie fordert die Pedalen heraus bis sie brechen.
Schimpfend über die Pedalen reagiert die Begleitmusik mit Hauen und Stechen.

Krankheit heißt verweigern
Das Tempo ist zu steigern.
Begleitmusik spielt die Griffe in Moll: G! H, H.
Begleitung sagt zu den Pedalen: jetzt aber hurtig! Bla bla.
Den gebrochenen Pedalen wird gesagt: es gibt kein Mitleid, keine Reparatur.
Begleitmusik singt in höchsten Tönen: Auf! Auf! Ihr Pedalen! Jetzt in Dur.


Epilog:
Das Publikum applaudiert immer lauter und lauter der Melodie,
nimmt das Brechen der Pedale hin, fragt nicht nach dem wie.
Augenzwinkernd, mit grinsendem Gesicht, verneigt sich die Melodie,
das Publikum zeigt mit dem Finger auf die Pedalen und brüllt: die!
Begleitmusik sagt gerne aus der zweiten Reihe:
Die Melodie steht zu der höchsten Weihe
Nur vor dir verneigen wir uns, du bist huldig,
ganz allein für das Misslingen sind sie Pedalen schuldig.

– Claudia Bröcher –
© read MaryRead

Lesestoff


Foto: © Susanne Grebe


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