„Maulwurfstadt“ von Torben Kuhlmann

Bunt zwischen schwarz-weiß

Grünflächen findet man in Industriestädten eher selten. Was zu Beginn des Industriezeitalters wie ein Segen für viele Menschen erschien, kehrt sich bald für einige in Trostlosigkeit um. Torben Kuhlmann ist es gelungen, den Spagat zwischen einer Bilderbucherzählung und die Auswirkungen von Industrien in der „Maulwurfstadt“ für Kinder und Erwachsene gleichermaßen darzustellen.

Beim Aufschlagen des Buches sieht man verschiedene schwarz-weiß Bilder, die einem zum Teil sehr bekannt vorkommen. Auf einem Eisenbalken in schwindelerregender Höhe sitzen sieben Maulwürfe, die gerade eine Pause innerhalb ihres Arbeitstages eingelegt haben. Im Hintergrund sowie unter ihnen sind jede Menge Gerüste, Dampflokomotiven und ähnliches zu sehen. Diese Illustration hat hohe Ähnlichkeit mit dem Foto „Lunch atop a Skyscraper“ von dem vermutlichen Fotografen Lewis Hine 1 , das seit 1932 um die Welt geht.
Das Bilderbuch beginnt mit den Worten: „Die Geschichte von Maulwurfstadt begann vor vielen Jahren“. Man sieht eine große grüne Wiese und mitten in dieser Idylle ist ein harmloser Maulwurfshügel. Unterhalb der Wiese kommt ein Maulwurf auf die Idee, Rohstoffe unter Tage abzubauen. Schlagartig verändert sich das Leben der Maulwürfe.

Lewis Hine: Alter Arbeiter beim Bau des Empire State Building, 1930

Für Torben Kuhlmann ist „Maulwurfstadt“ das zweite Buch. Wie schon in seinem Debütwerk „Lindbergh“ zeichnet der Illustrator sich dadurch aus, dass er sehr detaillierte Bilder malt ohne detailbesessen zu sein. Es macht Spaß, sich die Darstellungen anzuschauen. Erst beim öfteren und längerem Betrachten seiner Bilder werden einem die Finessen offenbar. Wenn beispielsweise die Maulwürfe über viele, viele Treppenstufen sich immer weiter unter Tage schrauben, so ist man als Betrachter nicht sicher, ob die Stufen nur herunterführen oder auch in die entgegen gesetzte Richtung. Wer die Grafiken von Maurits Cornelis Escher kennt, fühlt sich durch dieses Bild von Torben Kuhlmann an ihn erinnert.
Die Stufen sind aus der Vogelperspektive gemalt. Jeder Maulwurf hat einen gelben Helm auf seinem Kopf und trägt auf der linken Schulter entweder eine Schaufel oder eine Hacke. Dabei haben sie gleichmütige bis missmütige Gesichter. Keines dieser Maulwürfe ist eine Kopie von einem anderen Maulwurf, die Individualität bleibt trotz ähnlichem Aussehen bewahrt. Die Anspielung auf die Situation der Arbeiter zu Beginn des Industriezeitalters ist für Erwachsene ziemlich eindeutig, für Kinder hingegen sind die Maulwürfe arme Geschöpfe.

Die Geschichte über „Maulwurfstadt“ kommt fast ohne Worte aus. Lediglich zu Beginn ist ein kurzer Prolog und am Ende ein kurzer Epilog . Im Grunde beinhaltet das Bilderbuch drei Geschichten. Die längste Erzählung und die im Mittelpunkt des Buches steht, handelt von den Maulwürfen, die unter Tage arbeiten. Daneben gibt es die Erzählung über eine Wiese, die sich durch das Arbeiten unter Tage verändert. Diesen beiden Geschichten ist „History of Moletown“ unterlegt. Alle drei Geschichten sind anhand der Farbgebung in den Illustrationen voneinander getrennt. Das Leben der Maulwürfe ist in braun-Tönen gehalten, die Geschichte über die Wiese in grün und grau und „History of Moletown“ in schwarz-weiß. Einerseits sind alle drei Erzählungen in sich abgeschlossen, andererseits sind sie auch miteinander verwoben und gehören zusammen. Dieses Bilderbuch ist ein gutes Beispiel für das Prinzip des geflochtenen Zopfes .

Wie schon das erste Buch von Torben Kuhlmann „ Lindbergh “ sehr überzeugend ist, so ist auch sein zweites Werk „Maulwurfstadt“ genial.

– Christine Weber –
© read MaryRead

Kinderbuch


Torben Kuhlmann: Maulwurfstadt
Illustration: Torben Kuhlmann
Bilderbuch
Alter: ab 5 Jahre
gebunden
32 Seiten
1. Auflage: 15.01.2015
Verlag: NordSüd
ISBN 978-3-314-10274-5
Preis: 14,99 € (D), 15,50 € (A)


1 Vgl. http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/legendaeres-foto-lunch-atop-a-skyscraper-mittags-in-manhattan-1.1480544


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