Juhani Aho

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geboren: 11.09.1861 in Lapinlahti / Kuopio 1aa
gestorben: 08.08.1921 in Helsinki 1ab 

bürgerlicher Name: Johan Brofeldt 1ac

finnischer Schriftsteller (schrieb in schwedischer Sprache) 1ad

Landleben als das vollkommene Glück?

Herkunft und zur Person

Karolina Fredrika Emelie Snellman war die Mutter von Juhani Aho, der Vater Henrik Gustaf Theodor Brofeldt übte den Beruf des Probstes in Lapinlahti aus. Beide gehörten zur religiösen Gruppierung der Pietisten an, weltliche Literatur war im Haus unerwünscht.2aa Juhani Aho hatte noch neun Geschwister.2ba

Juhani Aho studierte in Helsinki von 1880 bis 1884 Geschichte, Literatur und Finnisch. Während seines Studiums schrieb er für verschiedene Zeitungen;2ab  er gewann aber auch ein Gesangwettbewerb.2bb Er schloss sich der Bewegung „Junges Finnland“ an,1ae die moderne Gedanken über „Gesellschaft, Kunst und Moral“ entwickelten.2ac Dies ging einher mit einem Gesamtneuverständnis der Finnen, die gerade dabei waren, ein Selbstbewusstsein zu entwickeln und sich von Russland allmählich zu lösen, die eine Art Besatzungsmacht darstellten. All dies verlief nicht reibungslos.3aa Die Bewegung gründete mit Juhani Aho am 16. November 1889 die Zeitung „Päivälehti“,1af die heute als eine der einflussreichsten Tageszeitungen gilt und unter dem Namen „Helsingin Sanomat“ firmiert.2ca
     1891 heiratete er die Malerin Venny Soldan-Brofeldt, die 1895 das erste Kind Heikki gebar und 1900 das zweite Kind Antti Juhani. Einen Sohn (Björn Solda) zeugte der finnische Schriftsteller mit der Schwester seiner Ehefrau, welches 1902 geboren wurde.2ad

Zeitweise lebte Juhani Aho in Paris.4aa Er unternahm eine längere Reise nach Russland.2ae
     Mit der finnischen Schriftstellerin Minna Canth pflegte er Freundschaft.2bc

Zur Literatur

Es ist unklar, wann und unter welchen Umständen Juhani Aho Kontakt zur Literatur hatte, denn wie oben angemerkt, war in seinem Elternhaus weltliche Literatur nicht gestattet. Dennoch ließ er sich nachweislich von dem norwegischen Dichter und schwarz-weiß Foto, Nobelpreis für Literatur,Literaturnobelpreisträger Bjørnstjerne Martinius Bjørnson sowie von dem Dramatiker Henrik Johan Ibsen, aber auch von dem russischen Schriftsteller Leo Tolstoi und von dem französischen Schriftsteller Émile Zola anregen.2af In gewisser Weise setzte er die finnische Literatur von Aleksis Kivi und Minna Canth fort.4ab
     Das Thema in seinem Œuvre ist der sympathische und aufrechte Mensch, fast ausschließlich auf dem Hintergrund eines Landlebens, die Beschreibungen der nordischen Landschaften sind geprägt von lyrischen Grundstimmungen.1ag
    
Juhani Aho gilt in der Literaturgeschichte als Schlüsselfigur des finnischen „Kritischen Realismus“. Seine Prosa zeichnet sich durch scharfe Analyse mit leichter symbolischer Aufladung aus, scheut jedoch die Zuspitzung der Konflikte seiner Zeit, wie in der Novelle „Rautatie4ac; welches vermutlich zum Teil auch der Unklarheit des gesamten finnischen Volkes geschuldet ist, Finnland wurde erst am 4. Januar 1918 von Russland unabhängig und ein souveräner Staat.3ba

Obgleich Juhani Aho dem „Kritischen Realismus“ zugeordnet wird, so kann man diesen nicht in jeglicher Hinsicht mit dem Realismus des europäischen Festlands vergleichen, denn der „Kritische Realismus“ war beeinflusst von der neuromantische Strömung mit patriotischen Leitideen. Musiker, Maler und Literaten trafen sich in der Künstlerkolonie3ca „Önningeby“, dessen Blütezeit von 1886 bis 1892 war,5aa Juhani Aho gehörte dazu wie auch der Dichter Eino Leino und der Schriftsteller Juhana Heikki Erkko.3cb 

Novelle „Rautatie

Ein altes Ehepaar vom Land hört von der Industrialisierung und vom Bau der Eisenbahn. Sie nutzen die neue Fahrmöglichkeit. Zuweilen sind sie von der einen oder anderen Errungenschaften irritiert, fahren jedoch mit ihrem althergebrachten Weltbild wieder nach Hause in ihr gewohntes Leben zurück. Eine Entwicklung findet nicht statt.4ad 

Romane „Papin tytär“ und „Papin rouva“

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> Barbara Beuys: Die neuen Frauen – Revolution im Kaiserreich

Handlungsort ist das Pfarrhaus in einer Idylle. Entfaltung der individuellen Persönlichkeit ist vor allem für die Frauen unmöglich. Elli ist in ihrer Ehe mit dem Pfarrer unglücklich – aus der großen weiten Welt dringen zwar die neuen modernen Ideen ein in der „Gestalt eines Besuchers aus der Vergangenheit: Olavi Kalm“, der in Paris lebt und dem Ehepaar einen Besuch abstattet – und verharrt darin. Vor der Ehe war sie Olavi Kalm zugetan. Er selber setzt sich für die völlige Gleichberechtigung der Frau ein, betreibt eine Studie über die „Frau in der französischen Literatur des Realismus“.4ae  
     Hierbei wird lediglich auf europäische Vorbilder verwiesen mithilfe von einschlägigen runebergschen Motiven. Die Protagonistin aus dem Bürgertum betreibt zwar eine Innenschau, doch äußerlich verändert sich nichts.

Roman „Juha“

Wieder ein Ehepaar, das in der Provinz lebt. Die junge Frau lebt im Spannungsfeld zwischen Provinz und den Neuigkeiten aus der modernen Welt.
     Hierbei handelt es sich um ein mystisch aufgeladenes allegorisches Muster der Geschlechterverhältnisse. Zuletzt wurde der Roman von 1911 von Aki Kaurismäki als Stummfilm 1999 neu verfilmt.4ba 

Auch hierbei sollte man den Blick auf die finnische Geschichte werfen. Nach der Unabhängigkeit Finnlands gab es noch viel Ungeklärtes, unter anderem die Regierungsform (Monarchie oder Demokratie). Immer mehr verhärteten sich die Verhältnisse, Rote Garden (Sozialisten) gegen Weiße Garden (Bürgertum) bis es im Frühjahr 1918 in einem sehr blutigen Bürgerkrieg mündete. Die Weiße Garde ging hierbei wesentlich brutaler zu Werke als die Rote Garde.3da 

Beurteilungen von außen

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Der schwedische Schriftsteller Gustaf af Geijerstam urteilte das Œuvre von Juhani Aho mit folgenden Worten: „Aho besitzt den zärtlichen Blick für die verachteten Individualitäten des Lebens, der bewirkt, dass er Sympathie fühlen kann nicht nur für das Neue, das kommt, sondern auch für das Alte, das geht.“2ag 

Der deutsche Verleger Hans Marquardt sieht den Reiz der Werke von Juhani Aho in dem „tiefen psychologischen Einfühlungsvermögen“.2ah 

Für die Finnen ist Juhani Aho von großer Bedeutung, so groß, dass er als erster Nichtpolitiker ein Staatsbegräbnis bekam.2bd

Werke (Auswahl):

1883: Siihen aikaan kun isä lampun osti 2be

1884: Rautatie (Novelle, erschien in Deutschland 1922 unter dem Titel „Die Eisenbahn“) 4af
1884: Siihen aikaan kun isä lampun osti (Roman, dt.: Als Vater die Lampe kaufte) 2ai
1884: Kievarin pihalla 2bf

1885: Papin tytä (Roman, erschien in Deutschland 1893 unter dem Titel „Die Tochter des Pfarrers”) 4ag

1886: Hellmannin herrat (Roman, dt.: Gutsbesitzer Hellmann) 2aj

1889: Helsinkiin (Bericht) 2bg
1889: Kuvauksia (Kurzgeschichten) 2bh

1890: Yksin (Roman) 2ak

1892: Uusia lastuja (Erzählungen) 2bi

1893: Papin rouva (Roman, erschien in Deutschland 1896 unter dem Titel „Ellis Ehe”) 4ah

1894: Heränneitä (Roman-Sammlung) 2bj
1894: Maailman murjoma (Erzählung, dt. in etwa: Das Gemurmel der Welt) 2bk 
1894: Suomalainen kuvakirja lapsille ja nuorisolle (Bilderbuch, illustriert von Venny Soldan-Brofeldt) 2bl 

1896: Kertomuksia ja kuvauksia (illustriert von Eero Järnfelt) 2bm

1897: Panu (Roman, lag 1899 in deutscher Übersetzung vor) 1ah

1899: Kolme lastua lapsille (Kinderbuch) 2bn

1900: Katajainen kansani 2bo

1901: Aatteiden mies: piirteitä August Fredrik Soldanin elämästä (Biografie) 2bp
1901: Tutkimus taudin syistä: ”rauhan aatteelle” omistettu (Essay, Thema: Frieden) 2bq

1905: Antti Ahlström: hans lif och verksamhet (Biografie) 2br

1906: Kevät ja takatalvi 1–2 (Roman) 2bs
1906: Minkä mitäkin Italiasta (Reisebericht über Italien) 2bt

1907: Tuomio: kolminäytöksinen näytelmä (Theaterstück) 2bu

1908: Minkä mitäkin Tyrolista (Reisebericht über Tirol) 2bv 

1911: Juha (Roman, erschien in Deutschland 1920 unter dem Titel „Schweres Blut” 1ai
1911: Sanomalehtimiesajoiltani (Erzählung) 2bw

1912: Tyven meri (Kurzgeschichten) 2bx 

1914: Omatunto: saaristokertomus (Roman) 2by

1915: Kuvia ja kuvitelmia Suomen historiasta 1–3 2bz

1916: Rauhan erakko (Roman) 2bza

1920: Muistatko?: kukkia keväiseltä niityltä 2bzb 64

Ehrungen (Auswahl) 2bzb:

1902: Nominiert für den Literaturnobelpreis von dem schwedischen Philologen Johannes Paulson und schwedischen Sprachwissenschaftler Johan Gustaf Christoffer Cederschiöld.6aa  
1906: Valtion kirjailijaeläke
1907: Helsingin yliopiston filosofian kunniatohtorin arvo (Ehrendoktor der Universität Helsinki)
1918: Nominiert für den Literaturnobelpreis von dem finnischen Übersetzer und Autor Yrjö Hirn, sowie von ”Finnish Literary Society” und von ”Finnish Scientific Society”. 6ab 

posthum:
1961: Aimo Tukiainen fertigte eine Bronzestatue an, die in Iisalmi als auch in Eira jeweils eine steht

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► Lebensbilder

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Einzelnachweise:

1aa, 1ab, 1ac, 1ad, 1ae, 1af, 1ag, 1ah, 1ag, 1ai: Diether Krywalski: Knaurs Lexikon der Weltliteratur. Autoren, Werke, Sachbegriffe. Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München – Zürich 1979, S. 18

2 Wikipedia:
2aa, 2ab, 2ac, 2ad, 2ae, 2af, 2ag, 2ah, 2ai, 2aj, 2ak: Wikipedia (): Juhani Aho, zuletzt besucht am 20.06.2018
2ba, 2bb, 2bc, 2bd, 2be, 2bf, 2bg, 2bh, 2bi, 2bj, 2bk, 2bl, 2bm, 2bn, 2bo, 2bp, 2bq, 2br, 2bs, 2bt, 2bu, 2bv, 2bw, 2bx, 2by, 2bz, 2bza, 2bzb, 2bzc: Wikipedia (finnisch, ): Juhani Aho, zuletzt besucht am 20.06.2018
2ca: Wikipedia (): Helsingin Sanomat, zuletzt besucht am 20.06.2018

3: Edgar Hoesch: Kleine Geschichte Finnlands, Verlag C.H. Beck – München 2009
3aa: S. 108
3ba: S. 113 f.
3ca, 3cb: S. 104 f.
3da: S. 114 f.

4 Hrsg: Jürg Glauser: Skandinavische Literaturgeschichte, J. M. Metzler`sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH, Stuttgart 2006,
4aa, 4ab, 4ac, 4ad, 4ae, 4af, 4ag, 4ah: S. 426
4ba: S. 429 f.

5aa: Kunstmuseum Schwaan (): DIE FINNISCHE KÜNSTLERKOLONIE ÖNNINGEBY IST ZU GAST, zuletzt besucht am 20.06.2018

6aa, 6ab: Nominierungen (): Literaturnobelpreis, Englisch, zuletzt besucht am 15.07.2018


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