Elke Heidenreich und André Heller zu Gast bei Stöckl…

Man sollte sich nicht so wichtig nehmen

Gestern Abend (15.09.2016) trafen sich André Heller und Elke Heidenreich, zwei Freunde vor der Kamera. Grundlage des Gesprächs mit Barbara Stöckl beim ORF II waren die beiden Romane Das Buch vom Süden (André Heller) und Alles kein Zufall (Elke Heidenreich). Es war eine Stunde der Geständnisse, Einsichten und Erkenntnisse und ein Rückblick auf die Biografie der beiden Schriftsteller.

ORF/Günther Pichlkostner

Der österreichische Allround-Künstler wurde 1947 in Wien geboren. Er wuchs in gutsituierten Verhältnissen auf, durfte nicht mit den Arbeiterkindern spielen, tat es aber dennoch. Der Lieblingsort seiner Kindheit war die Bibliothek des Vaters. In seinem Roman wird der Protagonist Julian Passauer als „fleißiger Taugenichts“ bezeichnet, eine Beschreibung, so gestand André Heller, die auch auf ihn zutrifft. Seine Eltern waren über lange Strecken mit seinem Lebenswandel nicht einverstanden.
     Elke Heidenreich hingegen wuchs in einer Arbeiterfamilie auf, in der es viele lautstarke Auseinandersetzungen gegeben hat, in der die Armut vorherrschte. Um dem grauen Alltag zu entfliehen, las sie und träumte von einer anderen Welt, von einer Welt, in der es keine Geldsorgen und in der es ein Badezimmer in der Wohnung gibt.
Die Kindheit der beiden könnte kaum gegensätzlicher sein und doch verbindet sie mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes.

Mit dem Garten Anima in Marokko schuf André Heller ein Denkmal, dass seinesgleichen sucht. Für einheimische Kinder, so verriet er im Gespräch, ist der Zutritt kostenlos, einheimische Erwachsene bezahlen die Hälfte des Eintrittspreises.

Park Anima:

Für André Heller besteht das Leben aus surrealen Momenten und er beschrieb dabei, wie er als Kind den Palmengarten während eines Winters in Wien besuchte, Drinnen tropische Wärme, Draußen Eiseskälte mit schneebedeckten Straßen.

ORF/Günther Pichlkostner

     Barbara Stöckl ließ dann den kurzen Film über Die letzte Gärtnerei in Aleppo einspielen. Darin wurde gezeigt, wie ein Gärtner mitten in den Kriegswirren sich um eine Grünanlage kümmerte. Anschließend erzählte die Moderatorin, dass der Gärtner sechs Wochen nach den Dreharbeiten gestorben sei. Während man als Zuschauer noch an den Gärtner aus Syrien dachte, seine Arbeit bewunderte, entsetzt war, dass er tot ist, plauderten André Heller und Elke Heidenreich darüber, wie sehr ihnen die Natur wichtig sei, dass man die Perlen des Lebens aufheben sollte und dass das Glück nicht auf der Straße läge, sondern das man nach ihr suchen müsse. Natürlich besteht die Biografie nicht nur aus Perlen, Elke Heidenreich hat zwei Scheidungen hinter sich und den Krebs, doch der Dauerbrenner für sie sind die Medien. Sie ist zwar ein Teil der Medienlandschaft und auch schon etliche Jahre dabei, dennoch regt sie sich immer noch über das Verhalten auf, insbesondere ärgert sie sich zurzeit über die Berichterstattung in der Schweiz. Gerne stellt sie sich als Opfer der Medien dar, obwohl gerade sie sich vieles erlauben darf, während andere ihren Stuhl räumen müssen, so wie nach dem 22. April 2014. Im Literaturclub beim SRF wurde über die Schwarze Hefte von Martin Heidegger debattiert und die Literaturkritikerin Elke Heidenreich regte sich über Martin Heidegger sehr auf, vor allem über seine Beziehung zum Nationalsozialismus. Zur Unterstreichung des Antisemitismus des Philosophen und seine Nähe zum Dritten Reich zitierte sie: „Die verborgene Deutschheit müssen wir entbergen, und das tun wir, indem wir die Juden endlich beseitigen aus Deutschland.“ Der Moderator Stefan Zweifel widersprach ihr und sagte, dass so dieses Zitat nicht stimme, aber Elke Heidenreich reagierte selbstbewusst – oder war es Trotz?, dass sie den Philosophen richtig zitiert habe. Nach der Sendung behauptete sie gegenüber der Basler Zeitung, dass sie dieses Zitat aus der Süddeutschen Zeitung hätte.1 Die Süddeutsche Zeitung dementierte, aber der eigentliche Eklat war, dass Stefan Zweifel nach dieser Sendung nicht mehr als Moderator beim Literaturclub auftrat, während sie wie gewohnt weiter machen konnte.
     Was wirft die Schriftstellerin und Literaturkritikerin den Schweizern eigentlich vor, dass sie ein Unrechtsbewusstsein haben?
     Wie die Kritikerin in der Sendung Stöckl… einräumte, möchte sie die Menschen durch Musik und Literatur erreichen, dabei scheut sie nicht den energischen missionarischen Weg, dass sie dabei ungenau sein kann, nimmt sie in Kauf. Ungenauigkeit ist für André Heller hingegen das Übel schlechthin. Oberflächliche Aussagen mit Allgemeinplätzen hilft nach seiner Ansicht niemandem und gibt den Populisten den Weg frei, für ihre einfachen Antworten auf komplexe Fragen.

Es gab einige lohnenswerte nachdenkliche Worte von den beiden Autoren aber das ewige kreisen um sich selbst, wie das nahezu ignorieren über das Schicksal des letzten Gärtner in Aleppo lässt poetischphilosophische Worte zerschellen, sie haben wenig Substanz und verfehlen somit ihre Wirkung.

Hannah Tiger
© read MaryRead 2016

Bordbuch

Elke Heidenreich: Alles kein Zufall
kurze Geschichten
240 Seiten
gebunden
erschien: 18.02.2016
Verlag: Hanser
ISBN 978-3-446-24601-0
Preis: 19,90 € (D), 20,50 € (A)
André Heller: Das Buch vom Süden
Roman
336 Seiten
gebunden
erschien: 02.05.2016
Verlag: Zsolnay
ISBN 978-3-552-05775-3
Preis: 24,90 € (D), 25,60 € (A)

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1  (): Vgl. Eklat um Heidenreichs Heidegger-Fälschung, Süddeutsche Zeitung, 28.05.2014, zuletzt besucht am 16.09.2016  


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