„Das ist mein Hof“ von Chris de Stoop

Zorniges Mantra

Bauern versuchen ihre Höfe vor dem Zugriff des Staats zu retten, Umweltpolitik wird zu einer Geißel

Es ist zunächst nichts Besonderes, wenn jemand nach jahrelanger Abwesenheit auf das Anwesen seiner Eltern zurückkehrt, zumal der Vater schon einige Jahre tot, die Mutter sehr gebrechlich ist. Christ de Stoop kehrt zum Bauernhof zurück um die größte Katastrophe abzuwenden: die Enteignung.

Chris de Stoop verbrachte seine Kindheit in einem der Polder in Flandern. Während sein Bruder sich nichts anderes vorstellen konnte, als Landwirt zu werden, so zog es ihn in die Ferne, zum Studium, er wurde Journalist, bereiste die Welt. Als die Not auf dem Hof kaum noch abzuwenden ist, kehrt er dorthin zurück und wird von einer Krankheit heimgesucht. Diagnose: Nostalgie. In einem nicht enden-wollenden Mantra vergleicht er in seinem Buch „Das ist mein Hof“ die Vergangenheit mit der Gegenwart. Viele nationale und europäische Umweltauflagen haben den Hof wirtschaftlich ruiniert. Außerdem soll der Polder zu einer Art Umweltreservat umfunktioniert werden, in denen keine Menschen leben sollen, als Ausgleich für den Ausbau des Hafens, der immer weiter expandiert. Etliche Kleinbauern mussten schon ihre Höfe räumen. Die restlichen Bauern begehren dagegen auf, auch Chris de Stoop ist stinksauer. Von außen betrachtet, kann man sagen, zurecht ist er stinksauer. Der negative Touch vom Sozialismus zieht sich durch das gesamte Sachbuch, wobei „Sachbuch“ nicht der richtige Genre-Ausdruck ist, eher ist es ein Essay, aber auch diese Zuordnung trifft nicht ganz zu. Die Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven fehlt.

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Immer und immer wieder beschwert sich der belgische Autor über die Umweltauflagen, noch mal und noch mal werden Begebenheiten aufgewärmt, die nur eine Sichtweise zulässt: seine. Es wird nicht ganz deutlich, ob es ihm ganz uneigennützig um die Rettung des Hofs geht oder ob er ein Prinzipienreiter ist, denn eigentlich hatte er mit dem Hof abgeschlossen und ob er sich dauerhaft vorstellen kann, bis ans Ende seines Berufslebens auf seine journalistischen Tätigkeiten nahezu verzichten zu müssen, sei dahin gestellt. Wenn im Klappentext nicht sein bisheriger Lebenslauf abgedruckt wäre, könnte man den Eindruck haben, dass ein Landwirt sich mithilfe eines Buches Luft verschaffen will, einer, der nicht viel Ahnung von Politik und Wirtschaft hat. Zusammenhänge werden nur dann am Rande erwähnt, wenn es den Hof oder den Polder direkt betrifft, alles was darüber hinausgeht, wird von Chris de Stoop nicht weiter beleuchtet. In etlichen Abschnitten blitzt sein Zorn über die Politik hervor. Es ist eine Abrechnung. Mit welchem Ziel?
    
Seine kurzen Ausflüge in die Vergangenheit haben wenig Erhellendes, für Außenstehende allemal. Man kommt nicht umhin, nach wenigen Zeilen schon zu verstehen, dass Chris de Stoop über die Entwicklung der Umweltpolitik wütend ist und ja, wenn eine ganze Region für den Umweltschutz geopfert werden soll, die sich über Jahrhunderte entwickelt hat, dem Meer trotzte und es ihnen gelang, neues Land zu gewinnen, darf und muss man zornig werden. Blöd nur, dass der Zorn langweilig erzählt wird und nur wenige Fakten liefert. Zwischendurch flammt beim Lesen Mitleid auf, meistens wartet man vergeblich geduldig auf Interessantes, mit dem man arbeiten könnte, was man verdauen und zermalmen könnte ähnlich wie ein Wiederkäuer. Stattdessen ist man gelangweilt ratlos und gegebenenfalls verärgert, wieder ein überflüssiges geistloses Buch gelesen zu haben.

© read MaryRead 2016

Sachbuch

Chris de Stoop: Das ist mein Hof
Geschichte einer Rückkehr
Originaltitel: Dit is mijn hof
Übersetzung aus dem Niederländischen: Birgit Erdmann
Sachbuch
gebunden
318 Seiten
Format (H x B x T): 209 x 144 x 26 mm
Gewicht: 407 g
erschien: 20.09.2016
Verlag: S. Fischer
ISBN 978-3-10-002545-6
Preis: 23,00 € (D), 23,70 € (A)

E-Book (D, A): 19,99 €

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