Nachruf: Siegfried Lenz

Typisch Lenz

Wie ein Lauffeuer ging heute Morgen die Nachricht durch das Internet und andere Medien , die sämtliche Literaturliebhaber, Germanisten und Buchbranche erschütterte: „Siegfried Lenz ist tot“.

Noch in diesem Jahr ist der Erzählband „ Die Flut ist pünktlich “ erschienen, dass ist sein letztes Werk .
Die erschienenen Bücher der vergangenen Jahre waren zwar bei weitem nicht so umfangreich wie sein Roman „Deutschstunde“, aber qualitativ genauso hochwertig .
Der Name Siegfried Lenz ist unweigerlich mit seinem Roman „Deutschstunde“ verbunden. Ausschnitte aus dem Roman waren in einigen Schulbüchern abgedruckt, dass die Ansicht untermauert, dass einer der bedeutendsten Schriftsteller der Gegenwartsliteratur
von uns gegangen ist .
Die jüngere deutsche Vergangenheit wird durch den Protagonisten Siggi Jepsen aufgedröselt, der im Gefängnis sitzt und die Aufgabe bekommt, einen Aufsatz zum Thema „Die Freuden der Pflicht“ zu schreiben. Auf den mehr als 500 Seiten wird die Nachkriegszeit mit ihrem klein- und spießbürgerlichen Denken beschrieben. Während des Dritten Reichs galt die Pflichterfüllung als Maß aller Dinge mit dem Resultat der Verfolgung und Ermordung mehrerer Millionen Menschen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs galt die Pflichterfüllung immer noch als ein hohes moralisches Gut. Genau das wird von Siggi Jepsen und den anderen Gefangenen infrage gestellt.
Der Roman kommt leise daher, ohne ein Wort zu viel, ohne Pompös und hat doch eine Durchschlagkraft, und das nicht nur auf literarischer Ebene. Typisch Lenz. So leise seine Werke sind, so ist die Wahrnehmung der Öffentlichkeit über sein Leben. Er war kein Moralapostel, hatte keine fertigen Konzepte für das ethisch richtige Handeln, stand nicht mit erhobenem Zeigefinger auf einem Marktplatz um eine neue Philosophie zu lehren. Er scheute sich aber auch nicht, den Finger in die Wunde zu legen, Missstände mit einer guten Beobachtungsgabe und Klarheit zu benennen .
Nein, er war eher ein stiller Zeitgenosse, ein Zurückgezogener, der viel zu sagen hatte (wie sein umfangreiches Gesamtwerk zeigt), aber immer einer, den man ernst genommen, der viele Leser erreicht hat, unabhängig von Schulabschlüssen und politischen Lagern. Er schrieb in einer verständlichen Sprache, seine Romane und Erzählungen benötigen beim Lesen kein daneben liegendes Lexikon, keine weitere Bibliothek um seine Literatur zu verstehen; die zum Nach- und Weiterdenken anregt, die hohe Kunst des Erzählens beherrschte wie nur Wenige seiner Zunft, literarisch ein Genuss ist. Diesen Stil behielt er bis zum Schluss bei, wie unter anderem einer seiner letzten Erzählungen „Landesbühne“ zeigt.
Als leiser Schriftsteller trat Siegfried Lenz aus dem Leben, dennoch ist die Nachricht über seinen Tod eine Erschütterung, dass selbst die gestrige Verleihung des Deutschen Buchpreises an Lutz Seiler in den Hintergrund treten lässt.
Das Vermächtnis von Siegfried Lenz ist groß. Wir verabschieden ihn mit einem Zitat aus seinem Roman „Das Vorbild“, das so klingt, als würde er uns zurufen 1 :


– Corinna Klein –

© read MaryRead

Seefriedhof


Trauerfeier für Siegfried Lenz: Helmut Schmidt würdigt seinen Weggefährten am 28.10.2014:

Quelle ( ): https://www.youtube.com/watch?v=ud-Y5ZZ9T38


1 Siegfried Lenz: Das Vorbild, Deutscher Taschenbuch Verlag – München, 1987 (7), S. 222


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