Michel Houllebecq erhielt den Frank-Schirrmacher-Preis 2016

Ach wäre ich doch nur ein Intellektueller

Am vergangenen Montag (26.09.2016) wurde der umstrittene französische Schriftsteller Michel Houllebecq für seinen Roman Unterwerfung mit dem Frank-Schirrmacher-Preis in Berlin ausgezeichnet.

Die einen sehen im Roman die Befürwortung von Faschismus und sehen sich in ihrer Theorie bestätigt, da es denselben Titel trägt, wie der letzte Film von Theo van Gogh, der ebenfalls sehr umstritten ist, die anderen versuchen ihn zu verteidigen, in einem jedoch sind sie sich einig: ein hervorragender geschriebener Roman. Man kommt jedoch nicht umhin, die Literaturkritiken, vor allem die in Frankreich erschienen sind, unter dem Aspekt, dass an dem Tag, als das Buch auf den Markt kam, ein Anschlag auf Charlie Hebdo begangen wurde, zu lesen und gegebenenfalls zu bewerten. Man kann den Franzosen die aufgeheizte Stimmung nicht verdenken und sicherlich war es ein wohlwollender, ein gutgemeinter und angebrachter Ratschlag, nicht alle Muslime in einen Topf zu werfen. Wer mit dem Thema Islam und einer möglichen Machtergreifung schriftstellerisch spielt, muss damit rechnen, dass er damit nicht nur Freunde gewinnt, eine mögliche Nähe zum rechten Lager nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.

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Eines wird immer deutlicher: Michel Houllebecq will anders sein, als andere. Das wurde auch in seiner Rede, die er bei der Preisverleihung hielt, deutlich. Weder schützt er Bescheidenheit vor und ringt doch darum, bescheiden zu wirken, indem er mehrmals darauf hinweist, dass er kein Intellektueller sei, andere hätten mehr zu bieten, um gleichzeitig mitzuteilen, dass in Frankreich nur Akademiker als solche bezeichnet werden können. Er will mit den Linken aufräumen, sieht sich als Befreier von linken Denkmustern und glaubt naiv, wenn man sich von einem Muster distanziert hat, die Freiheit des Denkens erlangt zu haben und lässt dabei außer acht, dass man ein anderes oder neues Muster aufbaut, dass ebenfalls irgendwann dogmatisch wird. Was er bevorzugt, ist eine Bestandsaufnahme der Gegenwart und zieht daraus seine Schlüsse, verkennt dabei jedoch, dass es eine Vergangenheit gibt. Kein Muslim wird zu einem Dschihadisten geboren, sondern meistens sind es viele Gründe, die ihn dazu verleiten. Auf komplexe Fragen gibt es keine einfachen Antworten.

Wirklich interessant ist, dass scheinbare gegensätzliche Einstellungen für die Verleihung des Frank-Schirrmacher-Preises eingeladen werden. Im letzten Jahr wurde Hans Magnus Enzensberger, der tendenziell als Links eingestuft wird, mit dem Preis beehrt und die Laudatio hielt der eher konservative Schriftsteller Martin Mosebach; dieses Jahr ist es ein Islamkritiker, die Laudatio hielt die aus der Türkei stammende Autorin Necla Kelek.

 © read MaryRead 2016

Hafenbericht

Michel Houllebecq: Unterwerfung
Originaltitel: Soumission
Übersetzung aus dem Französischen: Norma Cassau und Bernd Wilczek
Roman
gebunden
272 Seiten
erschien: 13.01.2015
Verlag: DuMont Buchverlag
ISBN 978-3-8321-9795-7
Preis: 22,99 € (D), 23,70 € (A)

Angaben zum Taschenbuch:
272 Seiten / erschien: 16.06.2016 / Verlag: DuMont Buchverlag / ISBN 978-3-8321-6359-4
Preis: 10,99 € (D), 11,30 € (A)


Die ganze Dankesrede von Michel Houllebecq:

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