lit.Cologne 2016 – Eine Lesung mit Alvin E. Roth

Was macht ein Wirtschaftsnobelpreisträger auf der lit.Cologne?

Schon im Vorfeld versprach die Lesung mit Alvin E. Roth ein spannender Abend zu werden .

Die erste Spannung, die man am Donnerstag den 10. März 2016 vor dem Gebäude der IHK in „Unter Sachsenhausen“ in Köln aushalten musste, war das Bangen um einen Platz, von dem man möglichst viel mitbekommen könnte. Desto näher man erst zum Einlasstermin eintraf, desto unwahrscheinlicher wurde es, einen adäquaten Sitzplatz zu bekommen, denn es war freie Platzwahl und der Andrang war groß. Im Börsensaal war nahezu jeder Platz belegt und dieser Saal ist groß, schätzungsweise gab es mehr als 650 Plätze. Die nächste Spannung war, wann wird er die Bühne betreten. Mit ein paar Minuten Verspätung eröffnete Angela Furtkamp von der lit.Cologne das Gespräch zwischen dem Wirtschaftsnobelpreisträger Alvin E. Roth und Nicole Bastian .
Alvin E. Roth wurde am 18. Dezember 1951 in New York geboren. Er war, laut seiner Aussage, ein mittelmäßiger bis schlechter Schüler, brach die Highschool ab, um später dann doch noch seinen Schulabschluss nachzuholen. Zunächst lehrte er ab 1983 an der University of Pittsburgh, wechselte dann an die Harvard University und seit 2012 ist er an der Stanford University als Professor für Wirtschaft tätig. Im selben Jahr, als er an die Stanford University wechselte, wurde er mit dem höchsten Preis beehrt, dem Wirtschaftsnobelpreis .
Nicole Bastian hat in Deutschland und Japan studiert, mehrere Jahre für die Deutsche Presseagentur gearbeitet, unter anderem auch in Tokio und seit 2007 arbeitet sie als Ressortleiterin in Frankfurt am Main beim Handelsblatt .

Alvin E. Roth konnte das Publikum für die Spieltheorie und für sein Steckenpferd – dem reibungslosen Ablauf der Nierentransplantation – begeistern .
Für alle Laien der Wirtschaft und Mathematik: Die Spieltheorie hat sich aus der Analyse von Spielen wie Schach und Dame entwickelt. Eine theoretische (und auch praktische) Anwendung kann immer dann erfolgen, wenn der Erfolg nicht allein vom persönlichen Engagement oder eines Unternehmens abhängig ist, sondern auch von weiteren „Mitspielern“. Beispielsweise im Bereich der Nierentransplantation. Bei der Nierentransplantation gibt es vor allem zwei Hürden: zum einen ist es ein sehr sensibler Bereich, zum anderen braucht man eine passende Niere. Alvin E. Roth hat dafür ein System des Austauschs entwickelt, so dass möglichst ausreichend Nieren vorhanden sind. Inzwischen gibt es in den USA eine Tauschkette, die laut seiner Aussage relativ gut funktioniert. Mehr Informationen gibt es in seinem Sachbuch „Wer kriegt was?“. In Deutschland haben wir kein solches Austauschsystem, was für den Nobelpreisträger eher unverständlich ist. Dabei ist es gar nicht so unverständlich. So lange eines solches Austauschsystem mit gleichberechtigten Partnern stattfindet, ist es nicht anrüchig, doch sobald beispielsweise die finanzielle Ausstattung eines Beteiligten eine Rolle spielt, ist solch ein System eher problematisch. Wie anfällig der Bereich der Transplantation ist, wurde 2012 deutlich, als die Vermutung geäußert wurde, dass Ärzte Krankenakten von Patienten gefälscht haben, um ihnen den Weg für eine Organspende zu verkürzen, d.h. dass sie zügiger als andere an das Organ herankommen, indem sie auf der Warteliste zu ihrem Gunsten an die obere Position gerückt wurden. Die Staatsanwalt hat daraufhin ihre Ermittlung aufgenommen .
Trotz möglicher Einwände gelang es Alvin E. Roth seine Arbeit anschaulich darzulegen, wusste sehr genau, womit er sein Publikum begeistern kann, das mehrmals herzhaft lachte. Das Publikum war überraschend jung bis mittelalt, gut situiert, aber nicht zwangsläufig betont gekleidet, selten sah man jemanden im Anzug .

Alvin E. Roth wirkte sehr geschmeidig, hat Humor und verstand sich darauf, seine Aussagen mit wohltuender Gestik zu unterstreichen. Auch die Übersetzerin, Nicole Bastian, war sehr souverän und ergänzte zwischendurch, um einen komplizierten Sachverhalt auf Deutschland zu übertragen .
Das Sachbuch „Wer kriegt was und warum?“ hört sich sehr spannend an, indem das Austauschsystem der Nierentransplantation genauer beschrieben ist. Einen Sachbuchautor und Wirtschaftsnobelpreisträger im Rahmen der lit.Cologne nach Deutschland einzuladen, war eine ausgezeichnete Idee. Der Abend gab einem neue Denkanstöße und man konnte seinen Blickwinkel auf die Wirtschaft verändern: Die Wirtschaft schafft nicht nur Probleme, sie kann auch welche lösen .

– Hannah Tiger –
© read MaryRead

Bordbuch


Alvin E. Roth: Wer kriegt was – und warum?
Bildung, Jobs und Partnerwahl: Wie Märkte funktionieren
Originaltitel: Who Gets What. The New Economics of Matchmaking and Market Design
Übersetzung aus dem Englischen : Thorsten Schmidt
gebunden
304 Seiten
erschien: 07.03.2016
Verlag: Siedler
ISBN 978-3-8275-0044-1
Preis: 24,99 € (D), 25,70 € (A)


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