„Heldenfabrik“ von Christian von Ditfurth

Der Kommissar und seine Gegenspieler

Politisch-wirtschaftliche Skandale erschüttern immer wieder die Bevölkerung. Die meisten großen Skandale kommen eher selten an die Oberfläche, sie geschehen im Verborgenen. Stattdessen werden belanglose Begebenheiten aufgebauscht, wie der Protagonist de Bodt in Christian von Ditfurths neuestem Kriminalroman Heldenfabrik feststellt .

Wie etliche Kriminalromane beginnt Heldenfabrik mit einem Verbrechen, aber im Vergleich zu vielen anderen, werden in diesem keine Menschen am Rande der Gesellschaft ermordet, für die sich in der Wirklichkeit kaum jemand interessiert, sondern eine fast gesamte Manager-Etage wird in wenigen Sekunden erschossen. Die Öffentlichkeit möchte wissen, wer hinter diesem Anschlag steckt, dementsprechend lastet der Druck auf Kommissar de Bodt und seine beiden Kollegen. Jedoch ist die Öffentlichkeit für ihn das geringste Problem, vielmehr bereiten die mächtigen Gegenspieler ihm Kopfzerbrechen, die alles daran setzen, um die Aufklärung des Verbrechens zu verhindern und als er auf der richtigen Spur ist, bekommt er kurzerhand den Fall entzogen und wird mit kleinen Kriminalfällen abgespeist .

Christian von Ditfurth beschreibt das dunkle Panorama eines Staates, deren Institutionen zum Teil zusammenarbeiten, zum Teil aber auch gegeneinander handeln, sich gegenseitig blockieren, jeder in seinem Auftrag. Möglichst wenige sollen erfahren, wer hinter diesem Verbrechen steckt und die Anzahl derer, die den Grund des Niedermetzelns der Manager von BBC kennen, soll möglichst gering bleiben, um die Weltpolitik nicht ins Wanken zu bringen.
Kommissar de Bodt und seine beiden Kollegen, Salinger und Yussuf, sind die einzigen aus polizeilicher Behörde, die ein echtes Interesse an der Aufklärung des Verbrechens haben.
De Bodt hat ein großes Wissen, gute Menschenkenntnis und ist sehr eigenwillig. Er lässt sich nicht so ohne weiteres von Vorgesetzten unter Druck setzen und wenn es sein muss, handelt er gegen Vorgaben. Die Beziehung zu seinem Vater ist kompliziert, der auch der Grund ist, weshalb er Kommissar wurde. Er könnte als ein typischer Tatort-Kommissar durchgehen.
Die Kollegin Salinger ist ebenfalls klug, bewundert de Bodt und verliebt sich in ihn .
Yussuf ist die interessanteste Figur . Er wirkt zunächst unscheinbar, aber als es darauf ankommt und das Leben einiger von seinem richtigen Handeln abhängt, zeigt er, was er kann. De Bodt hält dabei die Luft an und fragt sich: Hat Yussuf Verbindungen zur
türkischen Unterwelt ?

Christian von Ditfurth wurde 1953 in Würzburg geboren. Er ist Historiker und hat als Journalist unter anderem für Der Spiegel gearbeitet . Zunächst schrieb er Sachbücher wie Blockflöten. Wie die CDU ihre realsozialistische Vergangenheit verdrängt , 2002 veröffentlicht er seinen ersten Kriminalroman unter dem Titel Mann ohne Makel . Zurzeit lebt er in Berlin .
Heldenfabrik ist sein erster Kriminalroman indem ein Team von Kommissaren die Verantwortung für die Jagd der Mörder an den Managern trägt .

Es ist ein ungewöhnlicher Thriller. Man fragt sich, gibt es hinter dem Auftraggeber einen Auftraggeber. Man erhascht einen Blick hinter die Kulissen von Politik und polizeilichen Institutionen. Auf dem Hintergrund des derzeitigen NSU-Prozesses und dem Agieren der Geheimdienste wie Edward Snowden aufgedeckt hat, wird plötzlich vieles denkbar, was vor einiger Zeit noch viele als Verschwörungstheorie abgetan hätten, ist mit einem Mal realistisch .
Der Thriller ist auch deshalb ungewöhnlich, weil man das viele Blutvergießen von skandinavischen
Autoren gewohnt ist, weniger von deutschen Schriftstellern .
Der Leser weiß mehr als die Kommissare. Dieser Eindruck entsteht durch die Veränderung des Blickwinkels , mal stehen die Dialoge der staatlichen Institutionen im Vordergrund, mal sind es die inneren Vorgänge der Verbrecherwelt.

Christian von Ditfurth ist dafür bekannt, dass er gerne in die Klischee-Kiste greift und auch in Heldenfabrik wird das ein oder andere Vorurteil ausgepackt, mal wird angenommen, dass die militante Ökofront hinter diesem Anschlag steckt, mal sind es Charakteren , die scheinbar einer Erwartung entsprechen .
So wie die staatlichen Organe ahnungslos sind, so tappt auch der Leser im Dunkeln und wird am Ende überrascht, obwohl es an und für sich keine Überraschung ist .

– Sonja Schneider –
© read MaryRead 2014

Belletristik

1

Christian von Ditfurth: Heldenfabrik
Kommissar de Bodts erster Fall
Thriller
448 Seiten
Paperback
erschien: 30.10.2014
Verlag: Carl`s books
ISBN 978-3-570-58515-3
Preis: 14,99 € (D), 15,50 € (A)

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