„Krypteria. Jules Vernes geheimnisvolle Insel – Das Geheimnis der Höhle“ von Fabian Lenk

 

Es könnte interessant sein

Eine neue Kinderbuchreihe ist eröffnet unter dem Dach des S. Fischer Verlags. Krypteria. Jules Vernes geheimnisvolle Insel lautet der Titel der Serie von Fabian Lenk. Die Begeisterung darüber hält sich in Grenzen.

Der Untertitel zu Krypteria lautet: Jules Vernes geheimnisvolle Insel. Sofort werden Erinnerungen an das Buch (oder den Film) Reise um die Erde in 80 Tagen und / oder Die Reise zum Mittelpunkt der Erde von Jules Verne geweckt. Laut dem Verfasser von Krypteria – Fabian Lenk – soll vor allem der Abenteuerroman Die Reise zum Mittelpunkt der Erde als Grundlage, als Anknüpfungspunkt von dem französischen Schriftsteller aus dem 19. Jahrhundert dienen. Intertextualität im Kinderbuch ist eine gute und auch sinnvolle Idee, aber sie birgt auch Gefahren und Fabian Lenk schlittert mitten hinein. Es gibt zu viele Anknüpfungspunkte, nicht nur an Jules Verne, sondern auch an moderne Kinderbuchklassiker wie Fünf Freunde-Reihe von der britischen Kinderbuchautorin Enid Blyton, die später von weiteren Autoren fortgeführt wurde und TKKG-Reihe von Stefan Wolf, die seit 2004 im cbj-Verlag erscheint. In den beiden Reihen von Enid Blyton und Stefan Wolf sind es jeweils vier Kinder und ein Tier, die sämtliche Abenteuer gemeinsam bestehen. In Krypteria sieht es ähnlich aus. Es sind vier Kinder – Jason, Meg, Tom und Seraphina – die einen verschwundenen Höhlenforscher suchen und dabei in brenzlige Situationen geraten. Meg ist ein sehr kluges Mädchen, dass sehr nach Meggie aus der Tintenwelt von Cornelia Funke angelehnt ist. Tom ist nicht eindeutig einer gleichnamigen Figur zuzuordnen, aber stellenweise kann man die Bezüge zu Tom Sawyer von Mark Twain finden. Jason beherrscht die alten Kampftechniken von Ninja, ein alter japanischer Kämpfer, der viele Waffenarten bei sich trägt, die allesamt – seit Hollywood – mehr können, als sie zunächst vermuten lassen.
     Die vier Kinder leben im Internat Krypteria, dass auf einer Insel liegt und werden im Geist von Jules Verne erzogen. Was der Geist Jules Verne sein soll, wird nicht ganz klar, es soll um mutige Abenteuer gehen, knifflige Schwierigkeiten sollen gelöst werden und dabei darf die Grenze des „normalen“ Erziehungskonzepts überschritten werden, sofern es im Geiste von Jules Verne geschieht und am besten wird es von Erfolg gekrönt; auch hierbei gibt es wieder den Bezug zu „alten“ Kinderbuchklassikern. Fünf Freunde ist ein Paradebeispiel für die Unterkunft im Internat. Während Enid Blyton und Stefan Wolf in ihren Reihen an alten Geschlechterrollenverteilung festhielten, so beschreitet Fabian Lenk einen modernen Weg, Seraphina ist bärenstark, Meg ist hochintelligent, Tom ist geschickt und Jason ist ein Technikfreak. Er trägt eine Armbanduhr der besonderen Art. Mithilfe eines Energiestrahls können Gegenstände zu Pulver, Menschen können damit schwer verletzt werden. Alle vier haben ein Multitec, dass mit Notebooks vergleichbar ist, aber mehr kann.
     In TKKG werden die Kinder von dem Hund Oskar begleitet, in Fünf Freunde heißt der Hund Timotheus bzw. Timmy, in Krypteria ist es ein Mischwesen – Skwieselbiesel – namens Eddy. Eddy beherrscht die Menschensprache, jedoch zieht er alle Wörter zu einem Wort zusammen. Solange es sich nur um wenige und kurze Worte handelt wie „Aberfast!“ (S. 19) versteht man den Inhalt, schwieriger wird es bei vielen Worten. Für den jungen Leser ist es eine Herausforderung, die voraussetzt, dass man die Worte kennt und sich somit das Wort von Eddy „übersetzen“ kann. Eddy, aber noch vielmehr die weißen Wesen, weisen Bezüge zu Gollum aus Der Herr der Ringe von John Ronald Reuel Tolkien auf, jedoch weniger inhaltlicher Natur sondern vor allem durch die schwarz-weiß Illustrationen von Timo Grubing. Ganz besonders deutlich wird es in der Darstellung auf Seite 113.
Die weißen Wesen leben in der Hang-Son-Doong-Höhle, der größten Höhle der Welt, die bis heute nicht komplett erforscht werden konnte, weil es ein Gigant ist. Sie liegt im Truong-Son-Gebirgszug und befindet sich auf den Staatsgebieten von Vietnam, Laos und Kambodscha. All diese Informationen gibt Fabian Lenk am Ende des Buches. Diese Höhle ist so unglaublich faszinierend. Einige Informationen bekommt man schon während des Lesens, als die Kinder mit ihrem Mischwesen nach dem Höhlenforscher Paul Hansen suchen, der bei einer Expedition im wahrsten Sinne des Wortes von der Erde verschluckt zu sein scheint. Niemand konnte ihn bislang finden. Paul Hansen ist ein ehemaliger Schüler von Krypteria und von daher ist es naheliegend, als die vier Kinder von seinem Verschwinden Wind bekamen, dass sie nach ihm suchen wollen. An vielen Stellen wird das Ausmaß der Höhle, aber auch ihre Besonderheit geologischer und biologischer Natur vielfach angedeutet.

Während der echte Hansen Paul mit seinem Bruder von Deutschland nach Shanghai mit dem Fahrrad ohne Geld fuhr, angelehnt an den Gedanken von Jules Verne In 80 Tagen um die Welt, so verfolgt Paul Hansen in Krypteria ganz andere Interessen.

Die unglaublich vielen Bezüge zu historischen und literarischen Kontexten werten ein Buch nicht zwangsläufig auf, im Gegenteil, sie können ein Hindernis darstellen, vor allem in einem Kinderbuch. Man sollte nicht von einem jungen Leser erwarten, dass er die Bezüge durchschaut und wahrscheinlich wird es von Fabian Lenk auch nicht erwartet, aber die Figuren bekommen kein eigenständiges Leben, weil die Begrenzung schon durch die Wahl vorhandener Charakteren vorgegeben ist, gleichzeitig entwickelt er eine eigene Erzählung. Dieser Spagat ist kaum hinzubekommen. Selbst erfahrene Schriftsteller hätten bei dieser Masse von Bezügen arge Probleme, eine Handlung zu konstruieren, die spannend ist und was Neues darstellt, trotz der Bezüge. Und so sind zahlreiche Merkwürdigkeiten in Krypteria. Die harmloseste Variante sind die vielen überflüssigen Stellen, es wird etwas erwähnt, dass aber an keiner weiteren Stelle mehr aufgegriffen wird, dafür bleibt häufig etwas ungesagt, die aber einer Erklärung bedürften. Beispielsweise holt Jason in der großen Höhle seine Harpune aus der Tasche obwohl Tom beim Aufbruch diese in seine Tasche gesteckt hatte. Oder: Bei der Suche nach Paul Hansen verliert Jason beim Kampf gegen zwei Schlangen sein Multitec, dass er auch kurz sucht, aber er muss schnell handeln. Anschließend kommt niemand mehr auf die Idee, nach dem Multitec weiter zu suchen. Warum? Es scheint doch ein wertvolles Gerät zu sein. Nimmt ein Kind solch ein Verlust einfach hin?
     Fabian Lenk lässt in die Handlung mehrere mögliche Spannungsbögen einfließen, dennoch plätschert alles vor sich hin, als sei es ein träger Fluss, bis auf eine Ausnahme, nämlich im Kapitel Die Falle am Fluss. Hierin fiebert man mit, man hofft und bangt, dass alles gut geht. Die Eigenschaft von Meg kommt hierbei zum Einsatz, ihre Intelligenz. Sie sieht eine „Kleinigkeit“, die ihre Gefährten nicht wahrnehmen und sie zieht die richtigen Schlüsse. Ab dem Moment ist vor allem sie auf der Hut, weil sie die eigentliche Gefahr schon ahnt, aber die Lösung wird zu schnell präsentiert. Die Spannung hätte man deutlich länger aufrecht halten können, indem man die Lösung immer wieder nur andeutet, der Leser hätte somit zum Ermittler werden können.

 Mehr zu Jules Verne:
In 80 Tagen um die Welt
MEHR ZUM THEMA:
> Paul Maar: Der Galimat und ich
> Andreas Korn-Müller: Was dein Körper alles kann
> Sven Völker: Da ist heute ein kleiner schwarzer Felck auf der Sonne

Die Absicht der neuen Reihe liegt auf der Hand und das Das Geheimnis der Höhle der Auftakt dazu sein soll, bekommt man auf den ersten Seiten vom Verlag mitgeteilt. Band 2 trägt den Titel Die Stadt unter den Meeren (man ahnt schon die Bezüge zu 20.000 Meilen unter dem Meer von Jules Verne und zu der Atlantis-Trilogie von Marliese Arold), Band 3 Auf den Spuren der Ninja (geplant für 2017) und Band 4 Im Reich des Tyrannosaurus (geplant für 2017). Man will an Erfolge aus der jüngeren Vergangenheit wie Fünf Freunde und TKKG anschließen, Potential dafür ist durchaus vorhanden aber für einen Erfolg sollte man auch bereit sein, zu investieren. Ein Lektor wäre vonnöten, der zum einen die Ungereimtheiten erkennt, der Ahnung hat, wie eine spannende Handlung auszusehen hat und alles Überflüssige streichen lässt. Nur dann wird die neue Reihe Krypteria von Erfolg gekrönt werden können.


© read MaryRead 2016

Kinderbuch

 

Fabian Lenk: Krypteria. Jules Vernes geheimnisvolle Insel
Das Geheimnis der Höhle (Band 1)
Illustrationen: Timo Grubing
Alter: ab 8 Jahre
gebunden
138 Seiten
erschien: 25.08.2016
Verlag: KJB in S. Fischer Verlag
ISBN 978-3-7373-5335-9
Preis: 8,99 € (D), 9,30 € (A)

Home > Rezensionen > Kinderbuch > 8 bis 10 Jahre > „Krypteria. Jules Vernes geheimnisvolle Insel – Das Geheimnis der Höhle“ von Fabian Lenk


Weiteres

Kinderbuch, ab 11 Jahre: Höfler, Stefanie: Mein Sommer mit Mucks
Offene Fragen und eine Freundschaft

Beide sind für ihr Alter, sie sind so um …  mehr > 17.08.2016

sprachwissenschaftlicher Fachbegriff:
Phonem
Begegnung der Phoneme in der Wissenschaft und im Alltag
Die kleinste Einheit einer Sprache ist mehr >  17.08.2016

Nachruf, 2016 gestorben, Schriftsteller, DDR,

Nachruf: Hermann Kant
Der ordentliche Schriftsteller-Schuft ist gestorben

mehr > 15.08.2016


Treffpunkt Literatur

 

 

 

Immer gut informiert sein. Melden Sie sich bei unserem kostenlosen Service read MaryRead – Treffpunkt Literatur an.