„
Während der letzte Akkord verebbt und
der letzte Schmetterling mit spitzen Flügeln
aus dem Loch flattert, hält er den Atem an
.“
(
aus: Elin Bengtsson: Zwischen Winter und Himmel, Seite 89
)
Schmetterlinge als Rettungsanker
Manch einer stellt sich die Frage, was er / sie machen würde, wenn man die Diagnose erhält: unheilbar
krank, Endstation Tod
. Die Antworten sind häufig: den Job sofort aufgeben, eine
Reise
unternehmen und dergleichen mehr
.
Die junge schwedische Autorin wagt sich genau an das Thema heran: ein
pubertierender Junge hat Krebs. In ihrem
Debütroman
Zwischen Winter und Himmel
beschreibt
Elin Bengtsson
eine vierköpfige Familie
mit zwei Söhnen, die beide vom Alter her nahe beieinander liegen
.
Mit gestochen scharfer Beschreibung gelingt Elin Bengtsson zwei Themen unter einen Hut zu bringen: Erwachsenwerden und schwere Krankheit. Mal wird aus der Sicht des älteren Sohns – Martin – erzählt, mal aus der Sicht des todkranken Jungen Andreas, wobei die Anteile von Martin deutlich höher sind. Martins Sichtweise nimmt in dem
Roman viel Platz ein, dass auch kein Wunder ist. Er steht mitten im Leben, ist verliebt und träumt manchmal davon, wie er auf einer Bühne steht, seiner Gitarre metallene Schmetterlinge entlockt, die den Raum füllen und sich in die Herzen der Zuhörer einnisten. Neben den Träumereien ist das Gitarrenspiel sein Rettungsanker, denn die Gitarre ist „Die Einzige, die den Mut hat, das Schweigen zu brechen.“ (S. 27) Für Martin ist es sehr belastend, dass über die Krankheit seines Bruders in der Familie geschwiegen wird, nahezu ein Tabuthema ist, schon fast so, als würde man durch das Schweigen den Tod verhindern können
.
Obwohl Martins Anteile im Roman deutlich höher sind, so ist es dennoch Andreas, der durch und zwischen den Zeilen fast immer anwesend ist, der im Alltag von Martin nicht vergessen wird. In
inneren Monologen
versucht er seinen Bruder zu verstehen, ringt mit sich, denn Andreas verhält sich überhaupt nicht so, wie man es von einem todkranken
Jugendlichen erwarten würde. Wenn er körperlich dazu in der Lage ist, geht er in die Schule, versucht möglichst einen „normalen“ Alltag aufrecht zu erhalten.
Elin Bengtsson wurde 1987 geboren, wuchs in Uddevalla (Schweden) auf. Sie hat Politikwissenschaft studiert und eine der besten Schriftstellerschulen in Schweden besucht. Zurzeit lebt sie in Stockholm und leitet Schreibkurse für Kinder und Jugendliche
.
Zwischen Winter und Himmel
ist aus einer Novelle hervorgegangen, die sie mit 15 Jahren geschrieben hat
.
Mehr von Elin Bengtsson
:
> Interview mit der Schriftstellerin |
Wie man dem Int erview entnehmen kann, dass Laura Sonnefeld führte, legt Elin Bengtsson Wert darauf, dass man den Roman über das Erwachsenwerden auffasst und es stört sie ein wenig, dass viele die Krankheit als Hauptthema betrachten. Die schwedische Schriftstellerin hat einen grandiosen Roman über das Erwachsenwerden geschrieben mit Infragestellen im Allgemeinen, mit Aufbegehren gegen die Welt der Erwachsenen im Besonderen, mit verliebt sein in Gleichaltrige und der Ärztin von Andreas, mit den Auseinandersetzungen der Eltern, dennoch ist dieser Weg steiniger als vieler anderer Jugendlicher, denn die Frage um den Tod ist kein Abstraktum, keine Theorie sondern wird plötzlich ganz konkret.
Einfühlsam und in einer gut nachvollziehbaren Sprache skizziert Elin Bengtsson das Leben zweier Jugendlicher, die jeweils auf ihre ganz eigene Weise ihren Weg finden und lernen, das Leben anzunehmen mit seiner Begrenztheit .
–
Judith Sc
hlitz
–
©
read MaryRead
Elin Bengtsson
:
Zwischen Winter und Himmel
Originaltitel
:
Mellan Winter och himmel
Übersetzung aus dem Schwedischen
:
Katrin Frey
Roman
Alter
:
ab 14 Jahre
Taschenbuch
160 Seiten
erschien
:
25.11.2014
Verlag
:
Oetinger
ISBN 978-3-8415-0314-5
Preis: 9,99 € (D), 10,30 €
(A)
Ähnliche Beiträge :
Rezension
Grossman, David
:
Aus
der Zeit fallen
Nachricht erhalten
–
ins Exil verbannt
Wir werden von Trauer überwältigt, manchmal mischt sich Wut und Zorn mit hinein, vor allem tausend Fragen, wiederkehrende Fragen: Warum ausgerechnet dieser Mensch? Der hat doch noch sein ganzes Leben vor sich
…
mehr
>
von Sonja Schneider / 21.06.2013 / lyrische Form und Prosa
Korsaren-Anthologie
Für
einen lieben Menschen
Tot / Gibt es / Hoffnung, auf ein / weiterleben
…
mehr >
von Ulla Jung / 30.11.2013 / Gedicht
Rezension
Kleist, Reinhard
:
Der Boxer
.
Die wahre Geschichte des Hertzo
Haft
Unglaublich aber
wahr
Trotz seiner offenen Augen geht der Blick nach Innen, in seine Gedankenwelt, in seine Träume über die Zukunft. Die Umgebung nimmt er kaum wahr, weder die Passagiere noch die Wasserlandschaft. Wenn man ihn genau
…
mehr
>
von Astrid Meyer / 25.07.2014 / Graphic Novel, ab 14 Jahre
Rezension
Schirach, Ferdinand von
:
Tabu
Foltern erlaubt
?
Alle Beteiligten stehen unter Strom, unter extremer Anspannung und niemand scheint zu begreifen, was Möglich sein könnte, was Tatsache ist. Fieberhaft wird eine scheinbar entführte junge Frau gesucht und Sebastian
…
mehr >
von Christine Weber / 10.11.2014 / Kriminalroman
Rezension
Schimel, Lawrence:
Ich auch!
Angenommen sein
In der vierköpfigen Familie tragen die Eltern eine Brille und als eines morgens der kleine Junge Kwame an den Frühstückstisch kommt, sieht er, wie auf dem Platz seines älteren Bruders Luis eine Brille liegen. Als Kwame
…
mehr >
von Astrid Meyer / 31.08.2013 /
Bilderbuch, ab 4 Jahre