ZeitFenster: 100 Jahre Jerome David Salinger

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Jerome David Salinger auf dem Hintergrund von New York am Ende des 19. Jahrhunderts / made by © read MaryRead

Ein Roman, ein Mord, eine Ära

Mit seinem Roman „The Catcher in the Rye“ (dt.: Der Fänger im Roggen) von 1951 wurde der amerikanische Schriftsteller Jerome David Salinger weltberühmt. Geboren wurde er am 1. Januar 1919 in New York. Seine ersten schriftstellerische Versuche unternahm er ab 1934, als er Filmkritiken für die Kadettenzeitschrift „Crossed Sabres“ schrieb. 1940 veröffentlichte er seine erste Kurzgeschichte im Story-Magazin.

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Der Protagonist aus dem „Der Fänger im Roggen“, Holden Caulfield, tauchte zum ersten Mal in der Kurzgeschichte „Slight Rebellion Off Madison“ 1946 auf. Titel des Romans geht jedoch auf den schottischen Dichter Robert Burns zurück, genauer: auf das Gedicht „Comin’ Through the Rye“ von 1782. „Der Fänger im Roggen“ sollte der einzige veröffentlichte Roman von Jerome David Salinger bleiben. Sein Steckenpferd waren vor allem die Kurzgeschichten.

Um den amerikanischen Schriftsteller entstand ein Hype, in manch einer amerikanischen Literaturgeschichte wird von einer „Ära Salinger“ gesprochen, gemeint sind die Jahre 1948 bis 1959. Hierzulande waren Heinrich Böll und Hermann Hesse vom Roman sehr angetan und das, obwohl zunächst die Gesellschaftskritik als zu sexualisiert mit kommunistischer Tendenz wahrgenommen wurde und deshalb nicht so gut ankam, die Wirkung entfaltete sich erst nach und nach. Doch dann wurde im Dezember 1980 John Lennon erschossen, der Mörder hatte während dessen den Roman bei sich, er identifizierte sich mit dem Protagonisten. Seitdem ist „Der Fänger im Roggen“ in öffentlichen amerikanischen Leihbibliotheken nicht mehr zu bekommen.

Am Ende seines Lebens war es still um Jerome David Salinger, er lebte zurückgezogen. Er starb am 27. Januar 2010 in New Hampshire.

© read MaryRead 2019

► Lese-Koje

Jerome David Salinger: Der Fänger im Roggen
Originaltitel: The Catcher in the Rye
Übersetzung aus dem Amerikanischen: Eike Schönfeld
Roman
269 Seiten
Taschenbuch
Format (H x B x T): 188 x 116 x 22 mm
Gewicht: 219 g
erschien in den USA: 16.07.1951
erschien (Taschenbuch): 11.12.2003
Verlag: Rowohlt
ISBN 978-3-499-23539-9
Preis: 10,00 € (D), 10,30 € (A)

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(Teil 1), Fortsetzung Autobiografie:Theodor Fontane: Meine Kinderjahre (Autobiografie)

erbaut, und der nationalgesinnte Gottfried Schadow, damals noch nicht der »alte Schadow«, schrieb in sein Tagebuch: »Ein Herr Fontane, seines Zeichens Maler, ist Kabinettssekretär der Königin geworden; er malt schlecht, aber er spricht gut französisch.« Ob Pierre Barthélemy, mein Großvater, in seiner Stellung Einfluß geübt oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis; jedenfalls, wenn ein solcher Einfluß da war, war er von kurzer Dauer; denn dem Sturze Lombards, der nicht lange mehr auf sich warten ließ, folgte die Katastrophe von Jena; der Hof, flüchtig werdend, ging nach Königsberg, und Pierre Barthélemy, dessen Dienste keine weitere Verwendung mehr finden konnten, erhielt, in Berlin zurückbleibend, wohl als eine Art Abfindung, das Amt eines Kastellans von Schloß Nieder-Schönhausen. Dorthin übersiedelte er nun, und von hier aus besuchte mein Vater drei Jahre lang, also wahrscheinlich bis Herbst 1809, das Gymnasium zum Grauen Kloster. Es waren harte Schuljahre, denn der weite, wenigstens anderthalb Stunden lange Weg nach Berlin erforderte, daß jeden Morgen um spätestens sechs Uhr aufgestanden werden mußte. »Winters froren wir bitterlich, und es wurde erst besser, als wir, mein älterer Bruder und ich, blaue mit postorangefarbenem Kattun gefütterte Mäntel als Weihnachtsgeschenk erhielten. Aber es erwuchs uns daraus keine reine Freude. Jedesmal wenn sich der Wind in den mit einem gleichfarbigen Kattun gefütterten großen Kragen setzte, stand uns der postorangefarbene Kragen wie ein Heiligenschein zu Häupten, und der Spott der Straßenjungen war immer hinter uns her.« Es war dies eine Lieblingsgeschichte meines Vaters, der an ihr bis in sein Alter hinein festhielt und nichts davon wissen wollte, wenn ich ihm lachend von meinen eigenen, dem Vorstehenden sehr verwandten Schicksalen erzählte. »Ja, Papa«, begann ich dann wohl, »so bin ich, als ich so alt war wie du damals, auch gequält worden. Mama ließ mir um jene Zeit, ich war eben mit ihr in Berlin angekommen, Rock, Weste und Beinkleid aus einem milchfarbenen Tuchstoff machen, es war ein billiger Rest, und in der Klödenschen Schule hieß ich dann, ein ganzes Jahr lang, der ›Antiquar aus der alten Post‹. Der trug nämlich gerade solchen milchfarbenen Anzug und war überhaupt eine Karikatur.« – »Kann schon sein«, schmunzelte mein Vater, »so was ist mitunter erblich; aber Postorange war doch schlimmer, dabei muß ich bleiben. Es schrie förmlich in die Welt hinein.«
     Von guter Schülerschaft konnte bei den zwei Meilen Wegs, die jeden Tag zurückgelegt werden mußten, nach eignem Zeugnis meines Vaters, nicht wohl die Rede sein. Es darf aber aus dem Umstande, daß er zeitlebens selbst von einer mangelhaften Schulbildung sprach, nicht auf eine Trauer über diesen Tatbestand geschlossen werden. Beinah das Gegenteil. Er hielt es nämlich, wie viele zu jener Zeit, mit gesundem Menschenverstand und Lebekunst, oder, wie es in unserer Haussprache hieß, mit »bon sens« und »savoir faire« und war, ganz vereinzelte Ausnahmen abgerechnet, nie dazu zu bringen, sich zu willfähriger Anerkennung der »homines literati« aufzuraffen. Es gab das, wenn er seinen sogenannten »ehrlichen Tag« hatte, den Tag also, wo er aus seiner sonstigen Politesse herausfiel, mitunter recht verlegene Situationen für uns Kinder; im großen und ganzen aber bin ich ihm doch das Zeugnis schuldig, daß er, den ihm persönlich zu Gesichte kommenden Studierten gegenüber, in neunzehn Fällen von zwanzigen immer im Rechte war. Und es konnte dies auch kaum anders sein. Er war – weil er viel Zeit hatte, leider zu viel, was für ihn verhängnisvoll wurde – von Beginn seiner Selbständigkeit an, ein überaus fleißiger Journal- und Zeitungsleser, und weil er sich nebenher angewöhnt hatte, wegen jedes ihm unklaren Punktes in den Geschichts- und Geographiebüchern, besonders aber im Konversationslexikon nachzuschlagen, so besaß er, auf gesellschaftliche Konversation hin angesehn, eine offenbare Überlegenheit über die meisten damals in kleinen Nestern sich vorfindenden Ärzte, Stadtrichter, Bürgermeister und Syndizi, die, weil sie sich tagaus tagein in ihrem Berufe quälen mußten, sehr viel weniger Zeit zum Lesen hatten. Erlitt er mal eine Niederlage, so gab er diese freimütig zu, ja, pries sogar seinen Sieger, blieb aber dabei, daß es ein Ausnahmefall sei.
    
Und nun zurück zum Herbst 1809, wo mein Vater als Lehrling in die Berliner Elefanten-Apotheke eintrat. … Fortsetzung folgt